STEPHEN L. CARTER: „DIE SCHWARZE DAME"

Es ist kein Zufall, dass Lemaster Carlyle und seine Frau Julia an einem schneeverhangenen Novemberabend auf der Straße einen Toten entdecken. Dieser Kellen Zant war vor langer Zeit der Geliebte Julias und wer immer ihn hier platziert hat, wusste genau, was er tat. Und von einem Mord vor 30 Jahren, bei dem ein weißes Mädchen umkam und bald auch der verdächtigte junge Schwarze. Wenn Zant etwas nach so langer Zeit aufklären wollte, wem ist er in die Quere gekommen und was hat die ahnungslose Julia damit zu tun?

Das ist der Einstieg zu einer Affäre in den Neuengland-Staaten, die Stephen L. Carter nach seinem hochkarätigen Debüt „Schachmatt" nun unter dem Titel „Die schwarze Dame" in einen Thriller mit Sogwirkung und viel subtiler Gesellschaftskritik münden lässt. Wie Carter ist auch Lemaster Carlyle ein farbiger Jura-Professor an einer Universität und Julia und ihr Ex-Lover sind ebenfalls farbige Intellektuelle. Dies steht zwar nicht im Vordergrund der Szenerie, dennoch spielt die Hautfarbe auch in diesen bürgerlichen Aufsteigerkreisen eine wichtige hintergründige Rolle – so sehr, dass jemandem in höchster Not Hilfe versagt wird, weil er sichtbar nicht 'dazugehört'.

Für Julia aber beginnt mit diesem Todesfall eine gefährliche Schnitzeljagd, denn von Beginn an glaubt sie nicht an die bequeme Annahme der Polizei, dass Wirtschaftsprofessor Zant das Zufallsopfer eines Räubers geworden ist. Doch sie wirbelt bei ihrer Suche nach der Wahrheit Dinge auf, die höhere Kreise ins Rotieren bringen, immerhin war Ehemann Lemaster damals vor 30 Jahren Zimmerkumpel des US-Präsidenten und der steht im Wahlkampf zur Wiederwahl. Und Julia berührt gut gehütete Geheimnisse um kleinen aber feinen Universitätsstädtchen Tyler's Landing, in dem die farbigen Möchtegern-Aristokraten sich zuweilen weißer geben als die 'echten'. Wenngleich nicht wirklich erfolgreich.

Die Sogwirkung des hochauthentisch geschriebenen und immer wieder psychologisch tiefgründigen Romans beruht weniger auf glühenden Action-Szenen als vielmehr auf dieser zwingenden Durchleuchtung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den gegenwärtigen USA. Da werden einerseits politisch weitreichend Strippen gezogen von einem im Verborgenen agierenden Club, der auf 400 ehrenwerte schwarze Gentlemen beschränkt ist, während andererseits das versteckte und doch noch immer virulente Gefälle zwischen den Rassen unsichtbare Hürden aufbaut, die im Bedarfsfall greifen und stets auf Regeln beruhen, die der 'hellere' Teil der Gesellschaft festgelegt hat.

Die schwarze Dame" ist ein ebenso feinsinniger wie filmreifer Thriller und zugleich ein politischer Entwicklungsroman von hohen Graden. Yale-Professor Carter verwöhnt mit den Qualitäten eines Scott Turow und verdient sich mit diesem Werk das Prädikat eines „anspruchsvollen Lesevergnügens".

 

# Stephen L. Carter: Die schwarze Dame (aus dem Amerikanischen von Charlotte Breuer & Norbert Möllemann); 742 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin;

€ 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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