GUDRUN SCHURY: „ICH WOLLT, ICH WÄR EIN ESKIMO"

Die Deutschen hätten keinen Humor? Wer das sagt, vergisst nicht nur unseren Zeitgenossen Loriot sondern den genialen Wilhelm Busch (1832-1908). Wohl nur Goethe und Schiller werden noch häufiger zitiert und Busch darf zu recht als Vater des Comicstrips gelten samt deren typischer Lautschrift. Doch wer war dieser ungeheuer schaffensfreudige Künstler mit dem heiter-bissigen Humor?

Passend zum 100. Todestag am 9. Januar liegt dazu die Biographie von Gudrun Schury vor und ihr Titel wird dem Meister gerecht: „Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch." Intensiv ist die Autorin dem Werdegang und dem kreativen Schaffen des Mannes mit den vielen Talenten aber ohne jeden Abschluss von Akademiestudien nachgegangen und zeichnet ein sehr eingehendes Bild. Busch stammte aus einer einfachen Kaufmannsfamilie im niedersächsischen Dorf Wiedensahl, das er als provinziell und restriktiv empfand. Erst als er mit 22 Jahren nach erfolglosem Studium in Frankfurt nach München geht, kann er sich entwickeln und er verbringt mit Unterbrechungen einen großen und wichtigen Teil seines Lebens dort.

Schon bald ist Busch als treffsicherer Karikaturist bekannt und es trifft sich günstig, dass einige Jahre zuvor der Verlag Braun & Schneider seine Produktion der damals sehr beliebten Bilderbogen von Heiligenbildern auf Satirisches und sonstig Profanes ausgeweitet hat. Bald schon ist Busch ihr erfolgreichster Geschichtenerzähler, wenngleich er wie seine Kollegen mit bescheidenen Einmalhonoraren ausgebeutet wird. Das gilt auch für den Welterfolg „Max und Moritz", dessen Erstauflage 1865 allerdings nur mäßigen Absatz hatte.

Busch stellt sich ganz um auf Erwachsenenengeschichten wie „Hans Huckebein" und „Die fromme Helene". Als der nüchterne Protestant Busch im einsetzenden Kulturkampf immer häufiger mit seinen bissigen Reimen und Zeichnungen katholische Ungereimtheiten aufspießt, kommt es sogar zu Klagen und zeitweisen Verboten gegen „Der heilige Antonin von Padua". Die Autorin arbeitet an zahlreichen Beispielen heraus, wo Buschs Motive ihren Urspung hatten. Vieles lässt vermuten, dass harsche Erziehungsmethoden der eigenen Jugend ebenso einflossen – man denke an all die Prügelstrafen in den Geschichten – wie Darwins Lehren, die Busch mit Überzeugung ausmalte in vielerlei arg menschlichen Verhaltensweisen seiner Tiere wie dem Raben Huckebein oder dem Affen Fipps.

Als Busch 1870 zum Verlag seines Freundes Bassermann wechselt, verdient er endlich angemessen und wird vergleichsweise wohlhabend mit immer neuen Bildergeschichten in schneller konzentrierter Schaffensweise. Seine anderen Ambitionen aber bleiben glücklos, sei es das Privatleben, wo dem Familienmenschen einfach nicht gelingen will, auch Frau und Kinder sein eigen zu nennen, sei es die Ölmalerei. Immer wieder werden von dem längst berühmten Künstler nur Bildergeschichten gefordert, deren Erstellen er aber mit 52 Jahren einstellt.

Doch auch seine Prosawerke kommen nicht an und frustriert verkauft er mit 64 alle Rechte an seinen Verleger. Mit 66 gibt er auch das Malen auf und widmet sich nur noch der Lyrik – wiederum mit großem Fleiß. Um zugleich in eine gewisse Resignation zu verfallen: als Maler nichts erreicht, eigenes Familienglück nie erlangt und der Ruhm als Bildgeschichtenvirtuose war ihm unter diesen Aspekten sogar unlieb. Dennoch ist dem Mann, der wie kein anderer dem Biedermeier mit spitzer Feder und schnellem Stift einen entlarvenden Spiegel vorhielt, ein recht sanftes Ende beschieden.

Vieles vom Leben, Denken und Fühlen dieses großen Geheimniskrämers in eigener Sache muss Vermutung bleiben, wie er ja auch selbst manche Verschleierung in seiner Autobiographie „Was mich betrifft" betrieb. Gudrun Schury hat gleichwohl nicht nur Lebensweg, Eigenheiten und Arbeitsweise Wilhelm Busches in hervorragender Weise aufgearbeitet, sie schafft eine Annäherung an die Person und das so sachlich aber auch menschlich, dass diese Biographie ein großes Lesevergnügen ist.

 

# Gudrun Schury: Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch; 412 Seiten, div. Abb.; Aufbau Verlag, Berlin; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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