DONALD McCAIG: „RHETT"

Vom Winde verweht" zum Dritten – kann das gutgehen nach der zweifelhaften Fortsetzung, die Alexandra Ripley 1991 mit „Scarlet" vorlegte? Um es vorwegzunehmen: ja, es geht sogar erstaunlich gut, wenn Donald McCaig mit seiner Version des Südstaaten-Epos die von Margret Mitchell so farbenprächtig erzählte Geschichte aus der Sichtweise des geheimnisumwitterten Rhett Kershaw Butler schildert.

Autorisiert von den Mitchell-Erben recherchierte und schrieb der mit Bürgerkriegsromanen bereits erfolgreiche McCaig zwölf Jahre lang an dem Werk, das nun den Zeitraum von 1843 bis 1874 umfasst, also rund 20 Jahre mehr als die Originalvorlage. Gleich der Einstieg mit Rhetts Fahrt zu einem Pistolenduell zeigt den jungen Draufgänger in vielen Schattierungen, die man seit Roman und Film kennt. Doch der Autor versteht es dennoch hervorragend, mit vorantreibender Prosa und souveräner Dramaturgie von hier bis zum starken Finale mit neuen Sichtweisen zu überzeugen.

Eindrucksvoll entwickelt sich der Charakter des jungen Mannes in einer harten, freudlosen Jugend auf der riesigen Reis-Farm in Carolina, denn der Vater ist ein hartherziger Despot. Gerade auch die Grausamkeit gegen die 300 Sklaven der Farm namens und im Auftrag des Vaters prägen den unbeugsamen Rhett, lassen ihn zum Rebellen werden. Und ausgerechnet der Farbige Tunis Bonneau wird sein bester Freund, noch bevor ihn der Vater fortjagt. Es bleibt die enge Verbundenheit mit Schwester Rosemary und ihre Briefwechsel gehören zu den schönsten Passagen des Romans, wenn Rhett zum Beispiel berichtet, wie wild bewegt sein Leben als Außenseiter weitergeht, mal als Hasardeur, mal als Geschäftsmann, aber stets auf eine sehr eigene Weise integer.

Während die wohlbekannte Belle Watling, Puffmutter mit goldenem Herzen, schon früh seinen Weg kreuzt und bis zum Schluss eine wichtige Figur im Reigen bleibt, begegnet Rhett der ebenso attraktiven wie ungebärdigen Scarlett erst auf Seite 124. Aber auch bei McCaig ist der Frauenheld sofort wie vom Blitz getroffen von der 16-jährigen verwöhnten Tochter des irischstämmigen Plantagenbesitzers O'Hara. Und er weiß, dass sie sein Schicksal sein wird: „Mein Gott, sie ist wie ich." Natürlich sind von hier ab viele Berührungspunkte mit dem Originalroman unvermeidbar, doch der Autor weicht in entscheidender Weise von Margret Mitchells Werk ab, das den bald einsetzenden Bürgerkrieg wie einen schlimmen Betriebsunfall als Rahmen für eine der gewaltigsten Liebesromanzen der Weltliteratur einsetzt.

Und gerade diese Unterschiede machen die Stärke dieses Romans aus, der eher ein Historiendrama mit großer eingebauter Liebesgeschichte ist. Das erbitterte militärische Ringen des Bürgerkriegs, die Brutalitäten in den eroberten Städten und vor allem die historische Wahrheit über die Befreiung der Sklaven stehen immer wieder im Mittelpunkt des Geschehens und McCaig kommt hier zweierlei Verdienst zu. Einerseits zeigt er im Gegensatz zur Mitchell-Vorlage schonungslos die tief bösartige Seite der Sklaverei auf, andererseits hat er sich erfolgreich ausbedungen, die Dinge beim Namen nennen zu dürfen: bei ihm heißen die Farbigen der Originalvorlage gemäß und für heutige Zeiten politisch unkorrekt „Neger" und auch herabwürdigend „Nigger" und selbst die halbgare Sprache der Farbigen ist authentisch.

Hatte Margret Mitchell noch alle Farbigen als zu dumm für anderes als Sklavenarbeit beschrieben und ihnen sogar unterstellt, dass sie in der Freiheit zu Räubern und Vergewaltigern würden und im Übrigen nach dem Frieden nur allzu gern zu ihren bisherigen Besitzern zurückkehren würden, so räumt McCaig mit diesen alten weißen Vorurteilen auf. Zugleich entlarvt er die Südstaatenmär, dass die bösen Yankee-Horden den idyllischen Süden aus Rachsucht überfallen und ausgeplündert hätten, wie es auch „Vom Winde verweht" noch vorgaukelt, wenngleich als kraftvoll schönen Rahmen einer hinreißenden Liebesgeschichte.

Die einzige Schwäche dieses Romans sind die Szenen, in denen es um das Miteinander zwischen Frauen und Männern geht und auch bei den Liebesszenen zwischen Rhett und Scarlett tut sich McCaig schwer mit der Romantik. Ansonsten jedoch sind die Charakterzeichnungen hervorragend und insbesondere in 'Männerszenen' wie der, als Rhett seinen besten Freund erschießt, um ihm das Gelynchtwerden zu ersparen, zeigt er hohe Qualitäten.

Fazit: die Figur des Rhett Butler mag an rätselhafter Faszination einiges verliren, an Statur aber gewinnt sie und ohnehin ist „Rhett" weder einfach die Fortsetzung eines weltberühmten Liebesgeschichte noch überhaupt nur ein Anhängsel sondern eine realistsiche Bürgerkriegsdarstellung. Auch wenn es vielleicht nicht die ganz große Literatur präsentiert, die Startauflage von weltweit 1,5 Millionen Exemplaren wird nur jene Leser enttäuschen, die eine Romanze erwarten. (Und ob Rhett und Scarlett doch noch glücklich miteinander werden? Lassen Sie sich überraschen!)

 

# Donald McCaig: Rhett (aus dem Amerikanischen von Kathrin Razum); 639 Seiten; Hoffmann und Campe, Hamburg; 23

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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