JOSCHKA FISCHER: „DIE ROT-GRÜNEN JAHRE"

Joschka Fischer war schon immer deutlich anders als Andere und so überrascht er auch nicht mwirklich mit den Qualitäten seiner Autobiographie, die weder mit Selbstbeweihräucherung noch mit dröger Faktenflut langweilt. Dabei hat er viel zu berichten aus einem ereignisreichen Politikerleben, weshalb „Die rot-grünen Jahre" eben auch den Zusatz trägt „Deutsche Außenpolitik – vom Kosovo bis zum 11. September", denn was danach kam, ist allemal Stoff genug für einen weiteren Band.

Das von Beginn an Fesselnde an Fischers Rückblick ist die rhetorische Brillanz und Unterhaltsamkeit, die selbst politische Gegner an ihm schätzten. Oder fürchteten. Wenn er dann von seinen Grünen erzählt, spürt man, dass manche seiner härtesten Gegner aus ihren Reihen kamen und dass der Realo wohl noch mehr an seiner Partei gelitten hat als diese an ihm. Zugleich wird klar, wie sie einander in ihrem Werden wie ihrem Erfolg bedingt haben. Spannender noch sind jedoch die rot-grünen Verhältnisse und die Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge in der Außenpolitik.

So erfrischend urteilsfreudig Fischer einerseits ist, so freimütig selbstkritisch gesteht er auch „ureigenste Riesenfehler" ein. Und er gibt überraschend detaillierte Einblicke in Abläufe des außenpolitischen Handelns, das er selbst erst quasi als 'Learning by Doing' erlernte. Da knistert die Erinnerung, wenn er sein Ringen um den Friedensprozess im Kosovo oder im Nahen Osten darlegt, wo er einerseits die schmerzlichsten Konflikte mit Hassattacken seitens der Grünen durchstehen und andererseits das Wechselbad von diplomatischem Erfolg und Misserfolg durchleiden musste.

Kritisch und emotional bekennt er sich als ungeliebter Zuchtmeister illusionärer grüner Fantasten, aber auch zu seiner Haltung zu Lafontaine und Schröder. Der zum bärbeißigen Alphatier-Verhalten neigende Kanzler war ihm politisch in manchem wesensfremd und seine Attitüden gegenüber dem kleinen Partner („Koch und Kellner") empfand der nicht minder selbstbewusste Fischer als Gefahr für den Koalitionsfrieden. Im Gegensatz dazu war ihm Oskar Lafontaine ein Herzensverbündeter, menschlich wie politisch. Um so größer war der Schock, als der mächtigste und beliebteste SPD-Politiker nach dem Beginn des umjubelten Beginns einer neuen Politik-Epoche unter Führung der 68-er Generation quasi desertierte. Wobei Fischer einige interessante Aspekte möglicher Demissionsgründe beisteuert.

Nach diesem hinreißenden Auftakt darf man wahrhaft gespannt sein auf die Fortsetzung dieser zeitnahen Memoiren eines Sprachmächtigen, der nicht versucht, sein Wirken dort zu vernebeln oder zu verklären, wo ihm Dinge misslangen. Dies um so mehr, als es dann auch und ganz wesentlich um den Kampf für den Afghanistan-Einsatz und um den Alliierten-Konflikt wegen des unseligen Irak-Krieges geht.

 

# Joschka Fischer: Die rot-grünen Jahre. Deutsche Außenpolitik – vom Kosovo bis zum 11. September; 444 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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