CARL BERNSTEIN: „HILLARY CLINTON"

Carl Bernstein, der einst zusammen mit seinem Kollegen Bob Woodward als cleverer Reporter der „Washington Post" den Watergate-Skandal aufdeckte und Präsident Richard Nixon zu Fall brachte, hat sich mit all seinen Qualitäten an die Biographie von Hillary Clinton gewagt, eine der interessantesten Politikerinnen unserer Zeit und womöglich die erste Präsidentin der USA.

Hillary Clinton. Die Macht einer Frau" lautet der Titel des umfassenden und detailgenauen Werks, das glänzend geschrieben ist und eine ungeheure Fülle von Hintergundinformationen bietet. Trotz der unverhohlenen Sympathien Bernsteins für die ehemalige First Lady, derzeitige Senatorin von New York und mutmaßliche demokratische Präsidentschaftsbewerberein bleibt er nüchtern, sachlich, gar distanziert und hält sich auch mit Wertungen weitgehend zurück. Die besonderen Qualitäten beweist er vor allem aber auf seinem Spezialgebiet, der intensiven Recherche.

Gut 200 Zeitzeugen aus allen Lagern hat Bernstein interviewt, als besonderer Clou gelang ihm zudem der Zutritt zu den Aufzeichnungen Diane Blairs aus der Kampagne zu Bill Clintons Präsidentschaftswahlkampf 1992. Diese privaten Papiere der engen, 2000 verstorbenen Freundin Hillary Clintons sind äußerst aufschlussreich gerade auch hinsichtlich der Affären ihres Mannes. Um jedoch das außergewöhnliche Verhältnis des Paares ein wenig nachempfinden zu können, muss man die Umstände von Hillary Rodham Clintons Kindheit und Jugend kennen. Bernstein zeichnet das Bild einer komplexen Familie, wo der Vater seine Attitüden als strenger Rekrutenausbilder auch seiner gütigen Frau und der einzigen Tochter angedeihen lässt.

Da werden der unbändige Ehrgeiz, die beherrschte Verschlossenheit und das Kämpferische verständlicher, während zugleich – und gerade für hiesige Leser vielleicht etwas überraschend – deutlich wird, dass diese hochintelligente Frau ausgesprochen fromm ist. Spannend ist andererseits ihr Verständnis von Familie, Ehe und Politik, die sie in einer ebenso komplizierten wie dynamischen Verflechtung trotz all der weitgehend bekannten Probleme und Streitigkeiten standhaft vertritt. Hier allerdings bemüht sich der Biograph nicht nur bewusst um Objektivität, es gelingt auch ihm nicht, die von Hillary Clinton seit jeher betriebene Camouflage der tatsächlichen Befindlichkeiten zu durchbrechen.

Nicht nur Kenner wissen um die Maske, die die erst als Rechtsanwältin und jetzt als Politikerin erfolgreiche Frau aus dem Mittleren Westen selten lüftet. Bernstein bedauert dies, denn er vermutet dahinter eine weit interessantere Persönlichkeit, als die von ihr massenkompatibel inszenierte. Dennoch gelingt ihm das vermutlich genaueste Bild, das von außen möglich ist und das zugleich eines bestätigt: wer diese starke, durch eheliche und politische Krisen gestählte Frau zur Präsidentin wählt, bekommt garantiert Clinton & Clinton im Doppelpack. Und Bernstein äußert gewissermaßen als Fazit die Überzeugung, dass der politische Idealismus der Clintons echt ist und der Vorwurf machthungriger Emporkömmlinge nie zutraf.

 

# Carl Bernstein: Hillary Clinton. Die Macht einer Frau (aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer); 959 Seiten, div. Abb.; Droemer Verlag, München; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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