ROSS KING: „ZUM FRÜHSTÜCK INS FREIE"

Es war auf vielen Ebenen eine Zeit des Umbruchs in der Endzeit Napoleons III. in Frankreich und gerade auch in der Malerei entwickelte sich dies besonders heftig mit dem Aufkommen des Impressionismus. Wie dieser die Salonmalerei als akademische Kunst des bürgerlichen Zeitalters verdängte, wurde vielfach beschrieben, der renommierte Kulturhistoriker Ross King jedoch schafft eine neue, ungleich spannendere Perspektive, indem er diese Geschichte zweier widerstreitender Kunstauffassungen an ihren wichtigsten Kontrahenten aufhängt und sie in den gesamthistorischen Kontext der entscheidenden Phase von 1863 bis 1874 stellt.

Zum Frühstück ins Freie" hat der kanadische Erfolgsautor das intensiv recherchierte Werk überschrieben und nimmt damit Bezug auf eines der beiden herausragenden, richtungweisenden Gemälde, das „Frühstück im Freien", das eine nackte Frau mit zwei Dandys beim Picknick auf einer Waldlichtung zeigt und 1863 Skandale in den Pariser Salons verursachte. Gemalt hatte das Bild Edourd Manet, der damit im krassen Gegensatz zum damals herausragendsten Malerfürsten Ernest Meissonnier stand. Dieser Virtuose der Salonmalerei, der mit seinen hyperrealistsichen Gemälden Höchstpreise erzielte und eine der berühmtesten Persönlichkeiten Frankreichs war, gehörte 1863 sogar zur Jury des Salons und immer wieder kreuzten sich auch sonst die Wege des Meisters und des Neuerers, der 1865 mit dem Gemälde der Nackten „Olympia" dann sogar Tumulte in der sehr kunstinteressierten Öffentlichkeit auslöste.

Doch King schildert nicht nur die Arbeit und das Gegeneinander der beiden selbstbewussten Künstler sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten, die 1870/71 in der Belagerung von Paris durch die Preußen und dem Ende des Kaiserreichs gipfelten. Und es bedeutet auch künstlerisch-intellektuell den Anbruch einer neuen Zeit mit Künstlern wie Degas, Monet, Cézanne und dem Freigeist Baudelaire. So endet der faszinierende Bilderbogen 1874 mit der ersten privat organisierten Gruppenausstellung der Impressionisten und der erstaunlichen Erkenntnis, dass der große Meissonnier noch schneller in Abseits und Vergessenheit verschwand, als er seinerzeit in höchste Höhen stieg.

Ross King hat diese Parallelen von Niedergang und Aufstieg so exzellent in das Gesamtbild jenes großen Epochenwechselns eingebettet, dass sich das Alles trotz der Fülle der Fakten und Ereignisse wie ein guter spannender Roman liest.

 

# Ross King: Zum Frühstück ins Freie. Manet, Monet und die Ursprünge der modernen Malerei (aus dem Englischen von Stefanie Kremer); 544 Seiten, div. Abb.; Knaus Verlag, München; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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