MARK NYKANEN: „DER FALLENSTELLER"

Mark Nykanens Roman „Totenstarre" ließ den Lesern das Blut in den Adern gefrieren, wenn dort der wahnsinnige Bildhauer Stassler ganze Familien auf infernalische Weise zu Totenmasken seiner genialen Skulpturen machte. Sein neuer Thriller schweift nicht ganz so sehr ins Bizarre ab, dafür ist Serienkiller Harold auf erschreckende Weise realistischer und der Autor bietet ein viel näher liegendes Motiv an, denn im Mittelpunkt des Geschehens stehen Adoptivkinder und die Mütter, die diese einst fortgaben.

Der Fallensteller" lautet der Titel und dieser Harold wurde vor 32 Jahren selbst weggegeben. Seine Adoptivmutter aber erwies sich als Scheusal und stellte ihn außerdem hin wie einen streunenden Hund, den sie vorm Tierheim gerettet hat. Die familiäre Situation verbiegt Harolds Seele und Geist schon früh, doch als die versoffene Schlampe stirbt, hinterlässt sie dem gerade 18-Jährigen wenigstens ein erkleckliches Erbe, so dass er Psychologie studieren kann. Und er beginnt Rache zu nehmen an allen Müttern, die es Verzicht nennen, wenn sie ihre Kinder im Stich lassen.

Auf der Gegenseite steht Suzanne Trayle aus Oregon, die genau diesen Müttern hilft, wenn sie entgegen der Gesetzeslage versuchen, ihre einst weggegebenen Kinder später aufzuspüren. Ihr Suchdienst ist so erfolgreich, dass Suzanne zum umjubelten Engel der Suchenden aufsteigt. Dabei ist sie selbst nicht nur als Adoptivkind eine Betroffene, denn auch sie sucht nach ihrem Sohn, den sie als 14-Jährige auf Druck der Eltern weggeben musste und den sie auch nach über 30 Jahren noch nicht wiederfinden konnte.

Als sie nun ein Fernsehinterview in Chicago gibt, schlägt der Fallensteller zu. Er überfällt die Schlafende im Hotelzimmer und vergewaltigt sie, wobei er ihr ständig Paul Simons Lied „Mother and Child Reunion" ins Ohr singt. Viel schlimmer wiegt jedoch, was sie erst später von ihm per schriftlicher Botschaft erfährt: er hat vor der Tat heimlich und unbemerkt die CD mit ihrer Suchkartei kopiert und kündigt ihr nun zynisch an, er werde die gesamte Liste „abarbeiten".

Und das ist an abgefeimter Gausamkeit kaum zu überbieten, denn wie schon bei seinen ersten Racheakten findet er stets offene Arme bei den Müttern, wenn er sich als 'der verlorene Sohn' vorstellt. Dann aber entpuppt er sich als Lustmörder und Rächer in eins, der sich immer wieder neue Teuefeleien einfallen lässt und sich am Entsetzen und der Qual seiner Opfer ergötzt. Das wirkt um so infamer, als der Autor in seiner raffinierten Dramaturgie den Mörder wechselweise zur Erzählebene selbst berichten lässt, detailliert und mit solch zynischer Intelligenz, dass er dem Leser gewissermaßen verständlich macht, warum die Opfer ihre Strafe verdient haben. Seine Patientin Patsy vom katholischen Sozialdienst hilft ihm dabei sogar als unwissende Komplizin und pflichtet bei: „Wir alle brauchen unsere Mütter."

Als er Suzanne über seine Pläne unterrichtet, kann sie nicht einmal die Polizei einschalten, denn im Gegensatz zu ihr ist es ihm gelungen, ihren Sohn auszumachen. Und der schwebt nun samt Familie als Faustpfand in Lebensgefahr. In ihrer Verzweiflung stellt sie ihm eine Falle, um ihn selbst zur Strekce zu bringen. Doch der Psychopath durchschaut ihren Plan, denn er handelt nicht nur obsessiv sondern auch höchst effektiv. Und natürlich 'verdient' auch sie ihre Strafe...

So schaukelt sich dieser athmosphärisch ungeheuer dichte Thriller zu einem atemberaubenden Finale auf und lässt selbst hartgesottene Leser frösteln. Fazit: ein Meisterwerk des Genres von düsterer Faszination und in weiten Passagen beängstigend authentisch.

 

# Mark Nykanen: Der Fallensteller (aus dem Amerikanischen von Fred Kinzel); 384 Seiten; Limes Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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