NICHOLAS SHAKESPEARE: „STURM"

Alex und Merredy begegnen einander in den 80er Jahren in Wellington Point, einem kleinen Fischerkaff im fernen Tasmanien. Alex hat zwölf Jahre im englischen Oxford gelebt und ist hierher zurückgekehrt, nachdem seine Eltern bei einem Unfall umkamen. Hier in seiner alten Heimat will er die große aber unrentable Farm übernehmen. Er weiß, dass diese Insel südlich Australiens wie ein einsames Ende der Welt ist und diese Einsamkeit ist zu spüren.

Doch auch Merredy trägt eine große Traurigkeit in sich, denn wie ihre Eltern hat sie nie verwunden, dass ihr kleiner Bruder spurlos verschwand, als sie selbst noch ein kleines Mädchen war. Nun hat sie ihr Studium in Melbourne abgebrochen, um ihren kranken Vater zu pflegen. Als sie Alex begegnet, berührt sie seine tiefe Melancholie und so wird aus diesen zwei Menschen mit ihren schweren Verlusten ein Paar. Sie lieben einander sehr, wenngleich Merredys Herz wegen des verlorenen Bruders nie so ganz frei für Alex wird.

Langsam und dennoch fesselnd entwickelt sich diese Geschichte in „Sturm", dem neuen großen Roman des englischen Erfolgsautors Nicholas Shakespeare. Einen ganzen Kosmos aus intensiv gezeichneten Charakteren und einer kargen, beeindruckenden Landschaft lässt er entstehen. Da ist Ray, in Schultagen ein übler Kamerad und nun Immobilienmakler und Schürzenjäger. Und Merredys Cousine Tildy mit der sinnlichen Figur, die Ray schließlich heiratet, weil er Merredy nicht erobern kann.

Das Eheglück von Alex und Merredy hält jedoch nur eine Weile, denn im Gegensatz zur gebärfreudigen Tildy bleibt den beiden der ersehnte Nachwuchs versagt. Aber auch wirtschaftlich geht es bergab, bis Merredy eines Tages ihr Talent für die Austernzucht entdeckt und erfolgreich einsetzt. Als Beide gleichwohl ümmer mehr über die möglicherweise vertanen Chancen ihres Lebens grübeln, wirbelt ein verheerender Sturm alles durcheinander, zerschmettert Kompromisse und Lebenslügen.

Zur dramatischen Katharsis für beider Leben wird dabei Kish, ein junger Bursche, der von einem Segelschiff für Rehabilitationszöglinge geschleudert wurde. Alex rettet ihn vorm Ertrinken und während der verstörte Junge für ihn wie der sehnlichst vermisste Sohn ist, erinnert Kish Merredy an ihren verlorenen Bruder. Doch die hoffnungsvolle Idylle dieser Drei steht auf schwankendem Boden und es kommt zu einem Finale in der Art, wie man es von einem guten, großen Roman erwartet.

Mag das Geschehen auch an einem sehr fernen Ort spielen, es ist wunderbar lebensnah geschrieben und entwickelt eine subtile Sogwirkung. Fazit: ein Meisterwerk mit Stil, Tiefe und Warmherzigkeit.

 

# Nicholas Shakespeare: Sturm (aus dem Englischen von Susanne Höbel); 542 Seiten; Marebuchverlag, Hamburg; 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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