OEK de JONG: „FLATTERNDE SOMMERKLEIDER"

„Ein Kreis im Gras" und „In der äußersten Finsternis" sind Meisterwerke des niederländischen Autors Oek de Jong, die in den hervorragenden Übertragungen von Thomas Hauth auch auf Deutsch glänzten. Erst jetzt aber liegt auch der großartige Debütroman de Jongs vor, mit dem er vor fast 30 Jahren in seiner Heimat für Begeisterung sorgte: „Flatternde Sommerkleider".

Darin zeichnet er auf fesselnde Weise den Wandel vom Knaben zum jungen Schriftsteller nach, den der Ich-Erzähler auf ungewöhnlich dichte und immer wieder auch beklemmend verwirrende Weise beschreibt. Eingangs ist dieser achtjährige Edo Mesch fast blind mit seiner halb zugeklebten Brille und geradezu manisch auf seine Mutter als Epizentrum der Welt fixiert. Bis er so ganz andere körperlich-sinnliche Reize entdeckt, zum Beispiel das hochflatternde Sommerkleid einer Nachbarin, zum Beispiel fremde nackte Haut.

Und es setzt eine Nachdenklichkeit ein, die der unbeschwerten Kindlichkeit ein Ende setzt und in der Pubertät in selbstentfremdende Ich-Reflexionen und eine immer wieder aufflammende Verunsicherung gegenüber den eigenen Gefühlen und Körperregungen führt. Erste erotische Erfahrungen kreuzen sich mit intellektuellem Wissensdrang und einem Labyrinth von widerstreitenden Empfindungen, die sich wahrhaft beziehungsstörend auswirken. Edos Komplexität steigert sich zusehends und mit ihr die Verzweiflung über seine Bindungsunfähigkeit, die er dank seiner Hypersensibilität besonders schmerzhaft spürt und die unterschwellig in die bedrückende Erkenntnis mündet, dass keine Frau sein wird wie die Mutter, als er noch ein unbeschwerter Knabe war.

Mit zwingender Detailgenauigkeit und großem Sprachzauber begeistert de Jong bereits bei diesem meisterhaft komponierten Debüt. Fazit: ein bitter-süßer Stoff, der ein ungewöhnliches Lesevergnügen bietet.

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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