MATHIAS NOLTE: „ROULA ROUGE"

Zuweilen braucht man einen Absturz, um in ein neues und vielleicht viel schöneres Leben gedrängt zu werden. Wie Jonathan Schotter, 47, Senior Vice President einer Werbeagentur mit hohem Einkommen und verheiratet mit der attraktiven Künstlerin Susanne. Erst brennt diese ihm durch, dann kommt eine Herzoperation dazu und auch noch ein jüngerer Kollege auf seinen Posten. In seinem begreiflichen Weltschmerz treibt es den Gebeutelten nach Berlin und auf raffinierten Umwegen in ein ungeahnt interessantes neues Leben.

Roula Rouge" ist der Titel dieser raffiniert geflochtenen Geschichte, in der Mathias Nolte den Markenfetischisten Schotter an ein Ossi-Mädchen mit diesem Spitznamen geraten lässt. Der ist selbst gewählt, was wunder, wenn man mit 23 Jahren Emma Klein heißt und sich doch eher als moderner Punk versteht. Schotter ist sofort hingerissen von ihr, hätte sie aber wohl kaum angesprochen, weil nicht nur altersmäßig offensichtlich Welten zwischen ihnen liegen. Roula vergisst jedoch ihren Laptop in der S-Bahn und Schotter nimmt ihn an sich, bringt ihn aber nicht zum Fundbüro sondern setzt alles daran, über die Festplatte in das Leben des geheimnisvollen Mädchens einzudringen.

Mit Erfolg. Und so beginnt eine Amour fou, die für den Ich-Erzähler nicht nur immer neue Überraschungen eröffnet, es knistert auch herzerfrischend erotisch. Aber auch der Leser wird durch ebenso spannende wie glaubhafte Wendungen ein ums andere Mal aufs Neue gefesselt. Wie Schotter gewinnen auch Roula und etliche interessante Nebenfiguren erfreulich viel Tiefe und Roulas DDR-Lebenshintergrund mit dem früh verschwundenen Vater und der in den Freitod gegangene Mutter gehören zu den stärksten Passagen dieser modernen Liebesgeschichte.

Die zudem auch noch kriminelle Anklänge bekommt, doch das sei hier nicht näher erläutert, denn der rundum gelungene Roman überrascht den Leser auch in der Hinsicht bis zuletzt auf souverän gestaltetem Niveau.

 

# Mathias Nolte: Roula Rouge; 368 Seiten; Deuticke Verlag, Wien; € 21,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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