SYBILLE BEDFORD: „ZU BESUCH BEI DON OTAVIO"

Die Schriftstellerin Sybille Bedford (1911-2006) gilt als eine der herausragenden Stilistinnen der angelsächsischen Literatur, geboren wurde sie jedoch als Sybille Elsa von Schoenebeck in Berlin-Charlottenburg. Ihre romanhaft bewegte Vita führte die Baroness aus verarmtem preußischem Adel in die Welt der Künstler und Intellektuellen, insbesondere in den Zeiten der Emigration.

Geradezu zwangsläufig kam sie schließlich zum Schreiben und gleich ihr Debüt von 1953 erregte Aufsehen und gilt bis heute als ein Juwel der Reiseliteratur: „Zu Besuch bei Don Otavio. Eine mexikanischen Reise". Nach Jahrzehnten liegt dieses Buch endlich in einer Neuauflage wieder vor, von dem der große Reiseschriftsteller Bruce Chatwin im Vorwort in höchstem Lob schwärmt und feststellt, mehr noch als ein Reisebericht sei es ganz offensichtlich ein autobiografischer Roman.

Ausgangspunkt dieser Reise lange vor dem Massentourismus war die Sehnsucht der Autorin, nach dem Krieg aus dem selbstgewählten Exil in New York fortzukommen, eine Ortsveränderung zu erleben, eine andere Sprache, neue Speisen kennenzulernen. So setzte sie sich mit ihrer Freundin Esther Murphy in den Zug und fuhr ohne geplante Reiseroute gen Mexiko. Abenteuer in heruntergekommenen Hotels, Überlandfahrten mit klapprigen Bussen oder Zügen mit tagelanger Verspätung und der Empfehlung, den von vorgestern zu nehmen – der komme wegen seiner Verspätung erst heute durch!

Ebenso hinreißend wie die humorvollen aber nie herablassenden Beschreibungen sind dann jene Passagen über den titelgebenden Besuch beim charmanten Don Otavio, den Freund eines Freundes, bei dem sie ein Paradies auf Erden vorfinden. Das auch nicht dadurch geschmälert wird, dass dieser typische Vertreter der geheiligten mexikanischen Gastfreundschaft seit 30 Jahren ein ruinierter Mann ist, allerdings mit einer wunderschönen Hacienda und 17 Hausnagestellten.

Mit diesen Abenteuern zweier Frauen in einem überaus komplexen Land, dessen Widersprüchlichkeiten nur einer kräftigen Portion Fatalismus zu ertragen sind, erweist sich Sybille Bedford stilistisch und in den treffsicheren Schilderungen eines Hemingway durchaus ebenbürtig.

 

# Sybille Bedford: Zu Besuch bei Don Otavio. Eine mexikanische Reise (aus dem Englischen v. Christian Spiel); 430 Seiten; SchirmerGraf Verlag, München;

€ 24,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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