ANTHONY McCARTEN: „SUPERHERO"

Donald F. Delpe aus Watford bei London ist 14 und voll im Sturm der Hormone als männliche Jungfrau. Das ungebärdige Intro seiner Geschichte vom „Superhero" führt jedoch schon auf Seite 19 raus aus den durchgeknallten Actionfantasien in den tristen Ernst seines Daseins: er schaltet den überlaut aufgedrehten iPod aus und betritt die Krebsstation. Als Patient.

Doch dieser scheinbar so schräge Roman des Neuseeländers Anthony McCarten ist weder für Jugendliche gedacht noch ist er ein tieftrauriges Schmerzensdrama. Erzählt wird er wie ein rasantes Drehbuch und er führt den Leser, der sich auf den ungewöhnlichen und dennoch erstaunlich schnell vertraut wirkenden Stil einlässt, in ein hinreißendes Endzeituniversum voller Galgenhumor und verblüffender Lebensweisheit.

Und wenn Donald sich einmal mehr zwischen Strahlenbombardements und literweise Chemococktails wie „ein Tschernobyl auf zwei Beinen" fühlt, rettet er sich mit seinem MiracleMan in eine heroische Parallelwelt, wo der Superhero, den er mit Feuereifer und virtuosem Talent als Cartoon zeichnet, gegen den Arzt Gummifinger kämpft. Hin- und hergerissen zwischen Befunden, Therapien, Anfangserfolgen und Rückschlägen, kreisen Donalds Gedanken aber immer wieder auch um die Liebe. Oder genauer ausgedrückt darum, eine Nacht der körperlichen Liebe mit allem Drum und Dran zu erleben.

Nach einem Suizidversuch kommt die zweite Hauptperson dieses Dramas in drei Akten ins Spiel, Donalds Gegenspieler und auch Partner Dr. Adrian King, der Psychologe des Krankenhauses. Es entbrennt ein regelrechter Zweikampf um den Sinn allen Seins und Adrian will den letzten großen Wunsch des Jungen erfüllen. Er kommt dazu auf die verwegene Idee, die Edelhure Tanya dafür zu engagieren, doch es entwickelt sich alles ganz anders als erwartet.

Hier nun hängt der Autor einen verblüffenden Geniestreich an das fesselnde Werk, indem er den drehbuchartig aufgemachten Akten einen Anhang mit angeblich gestrichenen Szenen und Outtakes folgen lässt, die das bewegende Ende entschlüsseln. Mag auch immer wieder das Totenglöcklein in schrillem Hiphop durch diese mit rabiat direkter Sprache und doch auch mit herber Poesie erzählten Geschichte schrillen und die bissigen Dialoge vor Gift sprühen – man lacht, man weint und man liebt diesen einzigartigen Protagonisten von der bejammernswerten Gestalt. Und man wundert sich keine Sekunde darüber, dass die Verfilmung dieses Romans bereits vorbereitet wird.

 

# Anthony McCarten: Superhero (aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié); 303 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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