DANIEL GROHN: „KIND ODER ZWERG"

Poninger ist Journalist und lässt sich inkognito in eine psychiatrische Klinik einweisen, weil er angeblich Stimmen hört. In Wirklichkeit aber will er Missstände in der Klinik aufdecken, in der angeblich dubiose Experimente an Patienten vorgenommen werden. Er selbst ist gesund, bis auf schmerzliche Spuren nach der Trennung von der Filmemacherin Rabea. Zugleich ist er so blitzgescheit, dass er Ärzte und eine ganze Studentenschar mit seinen fremden Stimmen überzeugen kann.

Kind oder Zwerg" hat Daniel Grohn seinen Debütroman überschrieben und so doppeldeutig in der Erscheinung wird das Geschehen auch, als es ins Kippen gerät. Poningers Recherchen sind noch wenig ergiebig und seine heimlichen Mails an den Chefredakteur finden ihren Adressaten nicht. Und nun behandelt ihn eine junge Ärztin, neu an der Klinik und deutlich unsicher. Vor allem aber – wieso ähnelt sie Rabea so ungemein? Oder bildet sich Poninger das lediglich ein?

Doch vorerst spielt er weiterhin nur den Wahnbefallenen, bis er in einer Therapiestunde echt ausrastet und umgehend ruhiggestellt wird. Ist Poninger über den schmalen Grat zum Verrücktsein gerutscht und wie soll er aus dieser Situation wieder herauskommen, wenn auch dem Leser auf raffinierte Weise die Grenzen zwischen Einbildung und Realität verwirrt werden? „Das Verrücktsein an sich konnte ja nicht so schwer sein", heißt es mehrfach im Roman – ist es Poninger zu überzeugend gelungen, als dass er ihm wieder entkommen könnte?

Dann taucht eine zweite Patientenakte zu Poningers Person auf, in der er als 29-jähriger Arbeitsloser bezeichnet wird, Diagnose: Verdacht auf paranoide Persönlichkeit auf dem Boden einer schweren narzisstischen Störung. Und dem Leser stellt sich die spannende Frage, ob hier nicht doch ein Verrückter mit ausgesprochen untauglichen Methoden herauszufinden versucht, ob er verrückt ist. Alles scheint möglich. Das aber hat der Autor wahrlich so souverän durchkomponiert, dass es ein echtes Lesevergnügen ist. Zudem ist es dem praktiziernden Arzt Grohn gelungen, das Flechtwerk aus fixen Ideen und aufgewühltem Seelenleben anhand einer einzigen Figur überzeugend aufzubauen. Von der man zum Schluss mit Sicherheit nur den Nachnamen Poninger kennt.

 

# Daniel Grohn: Kind oder Zwerg; 317 Seiten; DVA, München; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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