MITCH ALBOM: „NUR EINEN TAG NOCH"

Wie schon in seinem zutiefst bewegenden Vorgänger „Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen", trifft auch im neuen Roman von Erfolgsautor Mitch Albom die Hauptperson eine wichtige Bezugsfigur in einer Art Zwischenzone zwischen Leben und Tod wieder. Diesmal ist es Charley Benetto, ein abgewrackter Baseballspieler, der einen Sprung vom Wasserturm überlebt und seiner längst verstorbenen Mutter begegnet.

„Nur einen Tag noch" heißt der Titel und genau dies einen Tag hat sich wohl schon so mancher gewünscht, der keine Gelegenheit hatte, sich angemessen von geliebten Menschen vor deren Tod zu verabschieden. Oder der ebendas durch eigene Schuld versäumt hat wie Charley, der nie darüber hinweggekommen ist, dass er sich an Mutters 79. Geburtstag mit einer billigen Lüge davongemacht hat und deshalb fern von zuhause war, als sie noch am selben Tag verstarb.

Wieviel Halt ihm die Mutter gegeben hatte, ohne dass es ihm zuvor recht bewusst wurde, merkte er nun, als in rapidem Abstieg Beruf und Ehe scheiterten und er dem Alkohol verfiel. Den letzten Anstoß, in den alten Heimatort zu fahren und dort vom Wasserturm zu springen, versetzte ihm die schockierende Nachricht, dass seine Tochter, sein einziges Kind, geheiratet und ihn nicht hatte dabei haben wollen. Nüchtern erzählt ein Berichterstatter, dessen Identität sich erst zum Schluss offenbart, wie sich dieser unausgesprochene Wunsch erfüllt, noch einmal mit Mutter sprechen zu können um vielleicht manches richtigzustellen.

Oder auch wahren Trost zu erfahren durch nie gekannte Wahrheiten, wie die über das schnöde Verschwinden des Vaters in seiner Jugend. Und noch viel mehr durch die Erkenntnis, wie sehr ihn die zuweilen so spröde wirkende Mutter zu allen Zeiten geliebt hat. Aber auch die Absolution, die er bezüglich seines unglücklichen Verhaltens ihr gegenüber erhält, erweist sich als wahres Geschenk des Himmels.

Einfühlsam mit einem sparsam unterlegten ironischen Zwischenton fesselt diese sehr anrührende Geschichte in ihrer klaren, knappen Sprache. Dennoch führt sie reichlich nah an die Grenze zum Sentimentalen und auch, wenn sie erneut die US-Bestsellerlisten anführt, reicht sie weder inhaltlich noch stilistisch an die Größe des Vorgängers heran.

Kennziffer: BEL 459 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de