ERIC JAGER: „AUF EHRE UND TOD"

Die Sitten waren rau, grausame Schlachtengemetzel fast an der Tagesordnung und die Rechtsprechung ging zuweilen heute kaum noch nachvollziehbare Wege im 14. Jahrhundert in Frankreich. US-Professor Eric Jager, Spezialist für mittelalterliche Geschichte, widmet sich in seinem Buch „Auf Ehre und Tod" einem tatsächlich stattgefundenen ritterlichen Zweikampf, der in einem Vergewaltigungsfall zu einem Gottesurteil führen sollte.

Es ist die Geschichte des Ritters Jean de Carrouges und seiner Frau Maguerite, die offenbar von seinem Intimfeind Jacques Le Gris vergewaltigt wurde. Sie wagte den ebenso ungewöhnlichen wie auch für sie selbst gefährlichen Schritt, ihren Mann einzuweihen und um eine Ahndung des Verbrechens zu bitten. Einst waren der Edelmann und der aus geringerem Adel stammende Täter Freunde gewesen. Inzwischen jedoch über politische Beziehungen und Eigentumsfragen tief verfeindet, ging Carrouges den durchaus riskanten Weg vors Gericht mit der Forderung, einen ritterlichen ritterlichen Zweikampf bis auf den Tod auszufechten – das Gottesurteil würde entweder Le Gris als Verbrecher überführen oder aber Carrouges würde für die ungerechtfertigte Anklage mit dem Leben bezahlen. Mit ihm dann allerdings auch seine Ehefrau, die als Meineidige dem Scheiterhaufen überantwortet würde.

Am 29. Dezember 1386 war es soweit: im Hof des Pariser Klosters Saint Martin sollte der Kampf stattfinden und selbst der junge König Karl VI weilte unter den Zuschauern. Diesen war es übrigens bei schwerer Strafe untersagt, während des Duells zu sprechen oder gar aufzuschreien. In einer makaber anmutenden Choreographie waren auch der Kampf selbst, die Art der Waffen und vieles mehr genau reglementiert. Und sollte es im Laufe Tages keine Entscheidung geben, so würde das Duell eben am nächsten Tag fortgesetzt.

Die Kontrahenten, der Herausforderer immerhin schon fast 50 Jahre alt, schwören einen Eid aufs Kreuz, im Recht zu sein. Dann hebt ein Ritterkampf von atemberaubender Dramatik an, bei dem alles erlaubt ist, außer dem Benutzen verzauberter Waffen. Das wilde Wogen in den rund 30 Kilogramm schweren Rüstungen endet so barbarisch, wie jene Zeit es als normal erlebte, und doch mit einer besonderen Konsequenz: es ist dies das letzte Mal, dass ein solchermaßen herbeigeführtes Gottesurteil eine ordentliche Gerichtsbarkeit ersetzte.

Jager hat jedoch weit mehr als nur diese überaus spannenden Kampfesszenen beschrieben, die sich ganz in das exzellente Sittengemälde des mitterlalterlichen Frankreich einfügen. Schon den Weg bis zu diesem Verbrechen und seine Ahndung verfolgt er anhand intensiv rechcherchierter Aufzeichnungen aus jener Zeit. Hier schildert er einige blutrünstige Feldzüge im 100-jährigen Krieg zwischen Frankreich und England, an denen sich Carrouges als tapferer Ritter beteiligte. Zugleich erfährt man von den Ränkespielen zwischen den Adeligen und um den schwachen König.

Präzise analysierend begeistert der Autor mit exzellent dargebotenem Zeit- und Lokalkolorit und gewährt einen tiefen Einblick in die komplexen Bedingungen des mittelalterlichen Lebens voller Gefahren, Aberglauben und Rechtsunsicherheit. Fazit: ein romanhaft fesselnder Geschichtsunterricht auf wissenschaftlichem Niveau.

 

# Eric Jager: Auf Ehre und Tod. Ein ritterlicher Zweikampf um das Leben einer Frau (aus dem Amerikanischen von Ilse Strasmann); 271 Seiten; DVA, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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