INGE BARTH-GRÖZINGER: „BEERENSOMMER"

Einen fulminanten Roman legt Inge Barth-Grözinger mit der im fitkiven Schwarzwaldort Grunbach im Enztal spielenden Dorfsaga „Beerensommer" vor. Die aus der Region stammende Autorin erzählt darin ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte anhand einer Handvoll hervorragend ausgewählter Charaktere. Der einzige Kritikpunkt sei gleich vorweg genannt: es wird wohl das Geheimnis des Verlages bleiben, warum er dieses packende Epos mit seinen tief bewegenden realistsichen Schicksalen als Jugendbuch einstuft.

Das rechtfertigt auch nicht der Auftakt, als der elfjährige Friedrich Weckerlin nach dem Freitod seines bankrotten Vaters mit seiner Familie aus einem prächtigen Haus in die Stadtmühle, dem Armenhaus Grunbachs, umziehen muss. Dort wird ihm nur der ein Jahr ältere Armenhäusler Johannes Helmbrecht in enger Freundschaft ein Halt. Friedrich ist jedoch vom Ehrgeiz besessen, eines Tages den Wiederaufstieg zu schaffen und er kämpft entschieden bis zur Skrupellosigkeit dafür, der künstlerisch begabte sensible Johannes aber wird Maler und Goldschmied.

Während Friedrich im Ersten Weltkrieg erfolgreich im Sägewerk des alten Dederer schuftet, durchleidet sein Freund das Grauen des Krieges an der Front und kehrt schwer verwundet heim. Und dann zerbricht diese tiefe Freundschaft daran, dass sich beide in die schöne Marie verlieben und es zum offenen Konflikt kommt, der in Hass und dramatischen Verwicklungen endet. Doch dieser Roman hat ja auch seine exemplarische politische Seite in diesen wechselvollen Zeiten. Johannes haben die Erfahrungen des Krieges zum Kommunisten gemacht, wogegen Friedrich aus kühler Berechnung Lisbeth Dederer heiratet und als sozialer Aufsteiger die Nazis unterstützt.

Die Dramaturgie des vielgestaltigen Geschehens sorgt für eine umgehende Sogwirkung und während die gesamte Erzählung bis in die Nachkriegsjahre reicht, hält die aus Berlin angereiste Urenkelin von Friedrich und Johannes die Fäden zusammen, als sie versucht, das Schicksal ihrer Vorfahren zu erforschen. Das Alles ist direkt, emotional und bildhaft geschrieben, ohne je in Sentimentalität abzugleiten. Die genaue Zeichnung der Charaktere wie auch das exzellente Zeit- und Lokalkolorit machen „Beerensommer" endgültig zu einem bewegenden Heimatroman von hoher literarischer Qualität.

 

# Inge Barth-Grözinger: Beerensommer; 592 Seiten; Thienemann Verlag, Stuttgart; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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