SYBILLE BEDFORD: „TREIBSAND"

Sybille Bedford zählte zu den glanzvollsten Romanciers und Stilisten der britischen Literatur und endlich wurde sie nun auch in Deutschland wiederentdeckt, wo sie 1911 als Tochter des verarmten Berliner Barons von Schönebeck und einer ebenso schönen wie flatterhaften Engländerin geboren wurde. Daheim mangels Ausbildung fast Analphabetin, kam sie erst zu Bildung, als sie begann, mit ihrer Mutter durch das mondäne Europa der 20er Jahre zu ziehen.

Doch trotz des frühen Wunsches Schriftstellerin zu werden, wurde ihr Debüt erst 1953 veröffentlicht. Dann aber brillierte sie mit Romanen wie „Ein Liebling der Götter" oder „Ein trügerischer Sommer" und gleichermaßen mit hochgelobten Reisebüchern und ihren Artikeln als Gerichtsreporterin. Kurz vor ihrem Tod im Jahre 2005 legte sie schließlich mit „Treibsand" ein spätes autobiografisches Erinnerungsbuch vor, so grandios in Stil, Tempo und Esprit, das man kaum glauben mag, dass die Verfasserin im 94. Lebensjahr stand.

Ihre Prosa macht süchtig, die meisterhaften Charakterzeichnungen werden in ihrer präzisen Bildhaftigkeit nur noch übertroffen von der einzigartigen Fähigkeit, mit wenigen leichten Strichen vollendetes Lokalkolorit darzustellen. Um so fesselnder lesen sich deshalb all die Abenteuer ihres bewegten Lebens, das sie zunächst an der Seite ihrer schillernden Mutter und deren jungen Liebhabern durch Italien führt, bis sie sich in den 30er Jahren im Fischerort Sanary-sur-Mer an der französischen Riviera niederlässt. Und wie stets in ihrem Leben ist sie hier am einem Ort, an dem sich interessante und intelligente Menschen versammeln, in diese Fall u.a. deutsche Emigranten wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und andere Künstler.

Die Geschichte ihres Namens gehört zu den skurrilen Anekdoten, denn die den Frauen zugeneigte Autorin heiratete ihre Mister Bedford nur, um in Nazi-Zeiten statt des deutsch-jüdischen Passes einen sicheren britischen zu bekommen. Doch auch Dramatisches und Aufwühlendes füllt viele hinreißende wahre Episoden, allen voran jene um die bewunderte Mutter, die schließlich aus Liebeskummer Alkohol und Morphium zum Opfer fiel. Die Zahl von Sybille Bedfords berühmten Freunde ist legendär und zu den engsten gehörten Prominente wie Hemingways Ex-Frau Martha Gellhorn und der „Schöne neue Welt"-Autor Aldous Huxley, dessen Biographie sie später verfasste.

Sie schreibt bewegend, athmosphärisch dicht und dennoch mit elegantem Stil, zugleich gelingt ihr eine unsentimentale Wärme von nüchterner Menschlichkeit. Süffisant und fast völlig uneitel fügt sie auch Selbstkritisches ein, während sie den Protagonisten dieses so spannenden Lebens viel Diskretion zugesteht. Fazit: zu recht wird sie als eine der besten englischsprachigen Autorinnen des 20. Jahrhunderts bezeichnet und sie belegt es mit diesem Erinnerungsbuch so souverän wie mit ihren Romanen.

 

# Sybille Bedford: Treibsand. Erinnerungen einer Europäerin (aus dem Englischen von Matthias Fienbork); 375 Seiten; SchirmerGraf Verlag, München; € 22,80

 

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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