DIETER HILDEBRANDT: „ICH MUSSTE IMMER LACHEN"

Ich war nicht groß genug und nicht schön genug, und ich konnte nichts; deswegen bin ich zum Kabarett gegangen." Dass Dieter Hildebrandt dann zum größten deutschen Kabarettisten der Nachkriegszeit werden sollte, dafür mag ein Umstand seiner Geburt im Jahre 1927 im schlesischen Bunzlau ein Omen gewesen sein: zur selben Zeit war am dortigen Stadttheater der begnadete Werner Finck engagiert.

Nun beweist Hildebrandt, der seit über 50 Jahren das politische Kabarett geprägt hat wie kein anderer, selbst bei seiner Autobiographie seine Ausnahmestellung, denn er ließ sie in einem Langzeitinterview von dem befreundeten Erfolgsautor Bernd Schroeder unter dem Titel „Ich musste immer lachen" niederschreiben. Genialer konnte man diesen Bericht einer außergewöhnlichen Vita gar nicht angehen, denn Hildebrandts Brillanz bei Reaktionen auf jedwede Stichworte ist nicht nur auf der Bühne legendär.

Offen und mit ebenso viel trockenem Witz wie schonungsloser Offenheit beginnt er mit Kindheit und Jugend samt begeisterter HJ-Zeit auf dem Lande, um dann seine kurze aber bewegte Soldatenzeit in hinreißender Farbigkeit zu schildern. Ähnlich unprätentiös und zugleich intellektuell gestochen scharf erinnert er sich an die Nachkriegsjahre in München, als der dünne Student sich mit vielen Jobs durchschlägt, das Studium abbricht, aber auch als ehrgeiziger Schauspieler-Anwärter keine Perspektive hat.

Schließlich kam er, dem Eingangssatz gemäß, zur Gründung des ersten Kabarettensembles „Die Namenlosen" - da war etwas, das konnte er gut inklusive Texte schreiben. Und es kamen jeden beiden wichtigsten Ereignisse in seinem Schicksalsjahr 1956: er heiratete seine langjährige Freundin Irene und begegnete dem rastlosen Reporter Sammy Drechsel. Der wurde sein engster Freund und gemeinsam zogen sie die legendäre „Münchner Lach- & Schießgesellschaft" auf, die am 12. Dezember 1956 ihre Premiere feierte.

Einen Bogen durch ein bewegtes Stück deutscher Geschichte schlägt dieses Buch, denn Hildebrandt ist ja ein durch und durch politischer Kopf bis in die jüngste Gegenwart, in der er mit Solo-Lesereisen wieder die unmittelbare Nähe zum Publikum sucht. Überall scheint das brillante Querdenken auf und wie immer schweift er auch hier süffisant ab und steht zu einer gewissen Hinterhältigkeit, mit der er die Ewiggestrigen wie die Bräsigen und die Großkopfeten enttarnt.

Doch auch Privates erfährt man und es schwingt eine kleine verständliche Genugtuung mit, wenn er über seine späteren Erfolge als Schauspieler spricht wie im Kultfilm „Kehraus" oder in der ebenfalls kultigen TV-Serie „Kir Royal". Fazit: Manche Autobiographien wären besser unterblieben, diese aber ist ein literarisches Juwel deutscher Zeitgeschichte.

 

# Dieter Hildebrandt: Ich musste immer lachen. Dieter Hildebrandt erzählt sein Leben; 238 Seiten, div. Abb.; Kiepenheuer & Witsch, Köln; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 194 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de