LOTHAR SCHIRMER: „GEORGIA O'KEEFFE/JOHN LOENGARD"

Georgia O'Keeffe (1887-1986) war die legendäre große Dame der amerikanischen Malerei, die frühe Berühmtheit mit ihren einzigartigen Blumenbildern erlangte, die ebenso filigran wie intensiv und sinnlich wirkten. Doch schon 1929 hatte sie noch ein anderes wichtiges Motiv ihres Lebens entdeckt: die Wüste von New Mexico mit ihrer unendlichen kargen Weite.

„Die Wüste kennt bei all ihrer Schönheit keine Freundlichkeit", betonte die Künstlerin in ihren späten Jahren. Dennoch zog sie nach dem Tod ihres Ehemannes Alfred Stieglitz 1949 ganz in den Südweststaat, in dem sie schon zuvor immer wieder Zeiten verbracht hatte. Hier nun besuchte sie 1966 und 1967 der junge Fotograf John Loengard und machte eine Reihe tief beeindruckender Fotos von der Einsiedlerin, die 100 Kilometer weit entfernt von Santa Fé in ihrem Haus in Abiquiu und auf der einsamen Ghost Ranch lebte. Diese Aufnahmen sollten an ihrem 80. Geburtstag mit einem Artikel im „Life"-Magazin erscheinen. Keine Fotos beim Malen, hatte sich die ansonsten humorvolle Malerin ausbedungen.

Kunstliebhaber und Herausgeber Lothar Schirmer war fasziniert, als er die Bilder später entdeckte, und er wollte den immer wieder überraschenden Vergleich zwischen dem Abgelichteten und den nur surreal erscheinenden Gemälden in einer Kombination zusammenfassen. 1994 scheiterte das Projekt zunächst an Rechte-Fragen des O'Keeffe-Nachlasses, jetzt jedoch gelang es und liegt nun unter dem Titel „Georgia O'Keefee/John Loengard. Gemälde & Photographien" in einem opulenten Bildband vor. Die Künstlerin in Einsamkeit und Askese, gleichwohl heiter und in sich ruhend. Und man erkennt, wie sehr die raue Realität ihres Einsiedlerdaseins in die künstlerische Fantasie ihrer Motive eingeflossen ist.

„Meine menschenfreundliche Veranlagung liebt die Welt ohne Menschen", heißt es in den beigefügten Texten von ihr. Dass sie gleichwohl nicht einsam oder gar misanthropisch war, schildert Fotograf Loengard in seinem kurzen Bericht einer unvergesslichen Begegnung. Die heitere Gelassenheit im Alltag in diesem besonderen Zauber der Wüste New Mexicos mit ihrer surrealen Wirklichkeit vermittelt diese wunderbare Kombination der Bilder von halbabstrakter ausgeblichener Intensität mit den würdevollen Momentaufnahmen der großen alten Dame für die Ewigkeit. Fazit: es gibt eine Vielzahl von Büchern zum Werk von Georgia O'Keefee, dieses aber hat wirklich noch gefehlt und wird nicht nur Kunstliebhaber begeistern.

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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