LISA TUTTLE: „DAS GEHEIME LAND"

Es hat lange gedauert, bis Lisa Tuttle einen neuen Roman vorlegt, doch das Warten auf „Das geheime Land" hat sich gelohnt, denn herausgekommen ist dabei ein Fantasy-Thriller, der bis zum Schluss fesselt, obwohl er nicht auf verwegenen Aktionismus setzt. Die in Schottland lebende US-Autorin verbindet auf virtuose Weise die Gegenwart, in der der Detektiv Ian Kennedy mehr schlecht als recht davon lebt, nach vermissten Personen zu suchen, mit keltischen Mythen um eine Anderwelt parallel zu der unsrigen.

Kennedy, der einst erst den Vater und später seine Freundin auf unerklärliche Art verlor, wird von Laura Lensky beauftragt, ihre Tochter Peri zu suchen. Seit über zwei Jahren ist sie verschwunden, doch mehrere Personen wollen sie in Schottland gesehen haben. Seltsames erfährt Ich-Erzähler Kennedy, als er mit Hugh spricht, dem Freund der schönen Peri zur Zeit ihres Verschwindens über Nacht. Angeblich hat er sie bei einem Schachspiel in einem mysteriösen Nachtclub an einen fremdartigen charismatischen Mann verloren. In Peris Tagebuch findet der Ermittler Andeutungen über einen tief beeindruckenden Mann, der ihr geschworen habe, sie bereits seit tausend Jahren zu lieben.

Entsetzt sieht Kennedy Parallelen zur keltischen Legende von Etain und Mider vom sagenumwobenen Elfenvolk der Sidhe, das durch ein geheimnisvolles Tor in dieser Welt Menschen in die Anderwelt entführt. Einmal ist es ihm vor Jahren an Halloween gelungen, ein junges Mädchen aus den Fängen dieses magischen Volkes zu retten. Als er jedoch mit Laura und Hugh in die schottischen Berge aufbricht, um Peri wiederzufinden, begibt er sich in große Gefahr, denn der Elfenprinz Mider ist ein äußerst gefährlicher Gegner. Für ihn ist Peri die Wiedergeburt seiner geliebten Etain, die einst von eifersüchtigen Zauberern in eine Fliege verwandelt wurde. Und Peri folgte Mider aus eigenem Willen...

Die Verflechtung der realistischen Gegenwartshandlung mit den mystischen Elementen und den Gestalten aus der Parallelwelt machen den einzigartigen Reiz dieser in wunderbar poetischer Prosa verfassten Geschichten und den zahlreichen in sie verwobenen Sagen und Märchen aus, wo nichts zufällig geschieht und alles mit allem zu tun hat. Dank der außerdem meisterhaft gezeichneten Charaktere ist „Das geheime Land" zu einem herausragenden Mystery-Roman für anspruchsvolle Leser geworden.

 

# Lisa Tuttle: Das geheime Land (aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski); 395 Seiten; Piper Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 


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