TIM WILLOCKS: „DAS SAKRAMENT"

Mit seinem jüngsten Werk „Das Sakrament" legt der britische Thrillerautor Tim Willocks erstmals einen Historienroman vor, doch obwohl der im 16. Jahrhundert spielt, steckt hochaktuelles Konfliktpotenzial darin. Es ist die Zeit der monatelangen Belagerung Maltas im Sommer 1565, als die Türken die Festung des Ritterordens der Johanniter als letztes Hindernis auf dem Weg zur Herrschaft über das gesamte Mittelmeer angreifen.

In einem barbarischen Ringen erwehren sich die kaum 1000 Kreuzritter und ihre Soldaten sowie etwa 5000 Mann maltesische Miliz gegen die 60.000 Mann, die Sultan Suleiman der Prächtige entsandt hat. In der größten Bedrängnis erhoffen die ebenso tiefgläubigen wie kämpferischen Verteidiger des christlichen Abendlandes Hilfe von Einem, der das Militär und die Denkweise der fanatischen islamischen Welteroberer aus eigener Anschauung kennt: Mattias Tannhäuser.

Im mitreißenden Eröffnungskapitel wird der Sohn eines siebenbürgischen Schmieds im Alter von zwölf Jahren von osmanischen Knabenfängern entführt und in die Truppe der Janitscharen gepresst. Als Ibrahim der Rote erlangt er einigen Ruhm in der blutrünstiegn Elitetruppe des Sultans. Nach Jahren als Krieger hat er sich nun bar jeden Glaubens und jeden Idealismus als Händler von Waffen und Opium in Italien niedergelassen und will nur noch für eigenen Nutzen arbeiten.

Doch Jean Parisot de la Valette, der charismatische Großmeister der Johanniter, entsendet die rechte Botschafterin, um ihn nach Malta zu locken, die schöne Contessa Carla mit dem schweren Makel eines unehelichen Sohnes. Ihr und ihrer geheimnisvoll attraktiven Zofe Amparo gelingt es, Tannhäuser zu überreden. Zugleich erhält Carla damit endlich Gelegenheit, nach ihrem Sohn zu suchen, der einer verbotenen Liaison mit dem Priester Ludovico entsprang. Man hatte ihn ihr damals vor zwölf Jahren entrissen und sie kennt nicht einmal seinen Namen, aber er soll auf Malta leben.

Tannhäuser ist als Ratgeber und Kämpfer und schließlich auch als geschickter Spion hinter den Linien ungeheuer wichtig für die Verteidiger gegen die unablässig anrollenden Angriffe. Allerdings tun sich neue Gefahren auf, denn aus Fra Ludovico ist längst ein ranghoher Vertreter der Inquisition geworden, der Tannhäuser mit tödlichem Hass verfolgt. Und er kommt nach Malta, weil neben dem Hass die unheilvolle Leidenschaft für Carla noch immer in ihm glüht.

In all dem apokalyptischen Ringen gegen die muslimischen Todfeinde spinnt mit diesem Finsterling die Inquisition ihre eigenen Intrigen in den christlichen Reihen, um den mächtigen reichen Orden in den Griff des Vatikans zu bekommen. Da steigert die platonische Liebe zwischen Tannhäuser und Carla sowie seine heftige Affäre mit Amparo die Verwicklungen bis zur Hochspannung, während die delikat beschriebenen erotischen Szenen willkommene Atempausen in dem Kampfgetümmel sind.

Vor exzellent recherchiertem realem Hintergrund steuert das dramaturgisch raffiniert aufgebaute Geschehen, das mit seiner dichten Athmosphäre bis zuletzt fesselt, auf ein grandioses Finale zu. Fazit: ein großartiges Heldenepos, das mit hoher Fabulierkunst zugleich den Irrsinn so genannter Heiliger Kriege entlarvt.

 

  # Tim Willocks: Das Sakrament (aus dem Englischen von Ulrike Seeberger); 761 Seiten; Rütten & Loening, Berlin; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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