MICHAEL MARSHALL: "DER ZWEITE SCHÖPFER"

In Pennsylvania spazieren zwei junge Männer in ein Fastfood-Lokal und erschießen 68 Menschen. Jahre später wird in Kalifornien die 14-jährige Sarah entführt und ihren Eltern ein Pullover geschickt, der mit ihren Haarlocken bestickt ist. In Montana findet der Ex-CIA-Agent Ward Hopkins im Haus seiner soeben nach einem Unfall beerdigten Eltern die mysteriöse Botschaft seines Vaters, sie seien nicht tot.

Scheinbar haben die drei Ereignisse nichts miteinander zu tun und doch setzen sie erste Zeichen für ein düsteres Netzwerk der Angst. Und der britische Autor Michael Marshall führt die jeder für sich bereits spannenden Handlungsstränge schließlich zu einem Thriller zusammen, der unter dem Titel "Der zweite Schöpfer" seinen Höhepunkt im Bannkreis einer bizarren fundamentalistischen Sekte findet, die alles Schwache ausmerzen will.

Während die FBI-Agentin Nina Bayman und ihr Ex-Freund John Zandt nach dem Mädchen suchen, das offenbar einem abgedrehten Serientäter zum Opfer gefallen ist, stößt Hopkins auf ein altes Video seiner Eltern, auf dem diese in jungen Jahren mit ihm als Kind zu sehen sind. Wer aber ist der Junge neben ihm, der ihm aufs Haar gleicht, von dem er jedoch noch nie etwas gehört hat? Die geheimnisvollen Verwicklungen und immer neuen Überraschungen häufen sich und zu dritt kommen die Ermittler einer unfassbaren Verschwörung auf die Spur.

Die geschickte Dramaturgie steigert die Spannung noch durch den Wechsel zwischen Ich-Erzähler und allgemeiner Erzählperspektive zu einem Thriller, der sich nach dem wuchtigen Einstieg des Massakers eher schleichend aufbaut, dabei jedoch an tiefe menschliche Abgründe führt. Zudem gelingt es dem Autor, Charaktere zu zeichnen, die erfrischend anders sind als die der meisten Geschichten dieses Genres. Wenn Marshall außerdem mit den "Straw Men" eine Sekte von Psychopathen zur Weltverschwörung aussendet und dabei ohne fehlgeleitete Geheimdienstler, krankhafte Spitzenpolitiker oder religiöse Fanatiker auskommt, dann ist das eine wohltuende Abweichung von den derzeit gängigen Thrillerthemen.

Obendrein lässt das dramatische Finale nach dem niveauvollen Lesevergnügen den Weg offen für eine Fortsetzung. Stephen King nannte den absolut filmreifen Roman übrigens brillant, allerdings erinnert er eher an die Thriller eines Thomas Harris.

 

# Michael Marshall: Der zweite Schöpfer (aus dem Englischen von Reinhard Tiffert); 428 Seiten; Droemer Verlag, München; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bel 416 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de