VERONIQUE OLMI: "EIN MANN EINE FRAU"

Ein Mann, eine Frau, ein Hotelzimmer – das scheint ein abgestandenes Thema zu sein. Nicht jedoch, wenn eine hochsensible Autorin wie die Französin Véronique Olmi zwei einander kaum flüchtig Bekannte an einem regnerischen Augusttag in einem mittelprächtigen Pariser Hotel in ungleich tiefere Dimensionen des Erlebens, des Empfindens eintauchen lässt.

"Ein Mann eine Frau" heißt der schlichte Titel und namenlos bleiben sie, die abgemagerte 40-Jährige und der bärige Mann, einige Jahre älter. Worte werden wenige gewechselt, beide verhalten sich zunächst zögerlich, um den Reiz der ersten prickelnden Begegnung nicht durch Unbedachtsamkeit zu zerstören. Doch statt der angedachten direkten Körperlichkeiten entsteht eine verletzliche Erregung, denn die Frau ist seit langem mehr als nur sexuell ausgehungert, nachdem ihre Ehe zerbrochen und der Ehemann endgültig gemütskrank geworden ist.

Die Emotionen überschreiten bei weitem die erst vagen und schließlich intensiven körperlichen Kontakte und der Leser spürt diese tiefgehende knisternde Erotik. Der Mann überrascht die verunsicherte Frau mit Zuwendung, Zärtlichkeit und Behutsamkeit und schon der erste Kuss lässt sie fühlen, "wie man zum Leben zurückkehrt." Atemlose Wortkaskaden ohne Punkt und Komma im Fühlen und Denken kennzeichnen das Vibrieren zweier verletzlicher Seelen, während zugleich die Sinnlichkeit jegliche Grenzen der Fremdheit zwischen ihnen durchbricht.