SIMON WINCHESTER: "EIN RISS DURCH DIE WELT"

Als am 18. April 1906 um 5 Uhr 12 ein Erdbeben San Francisco erschütterte, brauchte es keine drei Minuten, um die blühende Metropole in Trümmer zu legen. Gasleitungen brachen und abgerissene Stromleitungen entzündeten mit ihren Funken das Gas zu Bränden, die tagelang wüteten und die leidgeprüfte Stadt in Schutt und Asche legten. Die Folgen reichten weit über das eigentliche Unglück hinaus als Schock am Beginn der Moderne.

Zum 100. Jahrestag hat der britische Geologe Simon Winchester ein ebenso farbiges wie kenntnisreiches Sachbuch unter dem Titel "Ein Riss durch die Welt. Amerika und das Erdbeben von San Francisco 1906" verfasst. Wie schon bei seinem Werk "Krakatau" beschreibt er eine der ganz großen Naturkatastrophen der Neuzeit auf spannende Weise sowohl mit den geologischen Aspekten, die Auslöser waren, wie auch mit dem nötigen Zeit- und Lokalkolorit und den Auswirkungen des Geschehens. Gut verständlich wird dargelegt, wie verschiedene Erdplatten sich genau an der San-Andreas-Verwerfung treffen und zuweilen aneinander reiben.

Gerade auf dieser 1200 km langen Erdfalte aber liegt San Francisco, das in Folge des Goldrausches von 1848 zur blühenden Stadt mit 400.000 Einwohnern erwachsen war, in der just in dieser Nacht auch der weltberühmte Tenor Enrico Caruso zu einem Gastspiel weilte. Als die Katastrophe hereinbrach, lief sie wellenförmig durch die Stadt und zerstörte selbst größte Gebäude wie das protzige Rathaus. Schlimmer war jedoch das Brechen der Gas- und Wasserleitungen, denn das entflammte Gas verursachte großflächige Brände, die der Westwind noch anheizte. Der ohnehin mit nur 700 Mann und 38 Fahrzeugen unzulänglich ausgerüsteten Feuerwehr stand obendrein keine ausreichende Wasserversorgung zur Verfügung.

Der übereifrige kommandierende General Funston versuchte deshalb, mittels Sprengungen Feuerschneisen zu schaffen. Es wird vermutet, dass er die Schäden aber eher noch verschlimmert hat, zu denen allein über 28.000 zerstörte Gebäude gehören. Das Beben erreichte die sensationelle Stärke von 8,25 auf der Richter-Skala, so dass knapp 3.000 Tote und über 200.000 Obdachlose fast noch gnädig erscheinen, denkt man an jüngere verheerende Beben in der Türkei und dem Iran.

Winchester gibt jedoch nicht nur ein umfassendes Bild der Katastrophe von 1906, er schildert auch die Lehren, die daraus gezogen wurden. Und welche nicht. San Francisco wurde wiederaufgebaut mit der Auflage, nun feuer- und erdbebensicher zu bauen, dennoch bleibt eine schwer nachzuvollziehende Tatsache: die Großstadt entstand genau dort wieder, wo die San-Andreas-Verwerfung entlangläuft, und der Fachmann erläutert, dass der nächste "Big Bang" nur eine Frage der Zeit und von Menschen nicht beeinflussbar ist. Das und weitere Ausführungen über potentiell zu erwartende Erschütterungen der gar nicht so festen Planeten Erde machen dieses Buch zusätzlich zu einer fesselnden Lektüre.

 

# Simon Winchester: Ein Riss durch die Welt. Amerika und das Erdbeben von San Francisco 1906 (aus dem Englischen von Harald Stadler); 447 Seiten, div. Abb.; Knaus Verlag, München; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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