MANFRED BROCKER (Hrsg.): "GOD BLESS AMERICA"

Ein Präsident, der stolz verkündet, täglich im Weißen Haus zu beten; Prüderie und Kulturkampf breiter Kreise gegen Darwins Evolutionstheorie zugunsten der reinen Bibel-Lehre – und das alles in der hochmodernen, aufgeklärten Weltmacht USA?! Manfred Brocker, Politikwissenschaftler und Experte für das politische System der Vereinigten Staaten, hat dazu gemeinsam mit weiteren Experten ein ebenso differenziertes wie spannendes Bild gezeichnet, das die religiöse Zusammensetzung und den Einfluss der Religion auf die Innen- und Außenpolitik der USA verständlicher macht.

"God bless America. Politik und Religion in den USA" ist das Buch betitelt und es führt aus, wie diese von christlich geprägten Auswanderern geschaffene Nation sich mit ihrer demokratischen Verfassung von 1787 das Fundament für einen gänzlich säkularen Staat gegeben hat. Um so erstaunlicher ist der Zusammenhang von Religion und staatlicher Politik jedoch wesentlich enger als erwartet. Den vermeintlichen Widerspruch, dass Säkularismus und Religion quasi gleich wichtige Säulen des politischen systems sind, führen die exzellent recherchierten Darlegungen nicht zuletzt auf den Umstand zurück, dass die Religion hier nie als Herrschaftsinstrument ideologisch diskreditiert wurde und die Aufklärung ohne Antiklerikalismus funktionierte.

Wenn nun heute eine überkonfessionelle Erweckungsbewegung in eine postmoderne Religiosität der USA mündet, so ist es ein typisch europäischer Irrtum anzunehmen, dass der Aufschwung Neokonservativer und Evangelikaler eine Folge von George W. Bushs Aufstieg sei. Schon 1976 gewann der fromme Jimmy Carter die Wahlen gerade auch dank evangelikaler Wählerschichten und der zunehmende Einfluss des Religiösen auf die politischen Kräfte betrifft die durchaus nicht kirchenferneren Demokraten ähnlich wie die Republikaner.

Unabhängig von der unmittelbaren Parteipräferenz – die in den USA ohnehin eine geringere Rolle spielt als in Europa – wirkt das Religiöse zunehmend ins Alltagsleben wie in die Politik hinein und Wahlsiege ohne oder gar gegen das religiöse Volk sind undenkbar, denn die USA sind "eine Nation mit der Seele einer Kirche". Die verschiedenen Beiträge gehen sehr sachlich und fundiert auf die Phänomene dieser scheinbar paradoxen vielfältigen Religiosität bei gleichzeitig strikter Trennung von Staat und Kirche ein, die für Europäer überraschend und teils nur schwer nachvollziehbar sind.

Die vielen Zusammenhänge, die dieses luzide Werk vermittelt, gipfeln in der schlichten Erkenntnis, dass die USA einfach etwas Anderes sind als eine aus europäischen Ablegern entstandene Weltmacht: "Die amerikanische Nation hat keine Ideologie – sie ist eine."

 

# Manfred Brocker (Hrsg.): God bless America. Politik und Religion in den USA; 229 Seiten; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt;

€ 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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