JONATHAN SWIFT: "GULLIVERS REISEN"

"Gullivers Reisen" zählt zu den berühmtesten und meistgelesenen Klassikern der Weltliteratur. In Vergessenheit geraten durch gekürzte Fassungen und die häufig praktizierte Reduzierung auf die beiden ersten Reisen ist allerdings, dass Jonathan Swift (1667-1745) sein Buch 1726 als eine teils ausgesprochen bissige Gesellschaftssatire veröffentlichte.

Nun haben Martin Jenkins und der Illustrator Chris Riddell eine Neufassung des Klassikers herausgebracht und, es sei vorweg verraten, es ist ein grandioses Werk für heutige Leser dabei herausgekommen. Durch Jenkins' einfühlsame Übertragung der Originaltexte über die vier Reisen des englischen Schiffsarztes Lemuel Gulliver zwischen 1699 und 1715 wird Swifts fesselnde Fabulierkunst für heutige Leser leichter verständlich, ohne dass der eigentliche Charakter dieses wohl ersten Fantasy-Romans der Weltliteratur verfälscht würde.

Vermutlich erinnert sich fast jeder Leser an Liliput, die Welt mit den winzigen Menschlein, die Gulliver auf der ersten reise entdeckte, und auch Brobdingnag, wo die Verhältnisse genau umgekehrt waren und der tapfere Engländer einmal erlebte, wie man sich als Winzling unter Riesen fühlt, ist sicher noch ein Begriff. Weniger bekannt sind die mit fein gesponnenem Humor berichteten wahren Begebenheiten auf der fliegenden Insel Laputa, die von außerordentlich schrägen Typen bewohnt ist.

Noch mehr als diesen dritten Bericht aber hatte Jonathan Swift jenen über seine tief prägenden Erlebnisse bei den Houyhnhnms auf jener Insel, wo edle intelligente Pferde ein utopisch friedfertiges Regime führen und die menschenähnlichen Yahoos als primitive Kreaturen dahinvegetieren, als Gesellschaftskritik für junge englische Aristokraten geschrieben. Das birgt nicht nur viel skurrilen Humor, es ist auch mit bissigster Satire gespickt und von jener zeitlosen Gültigkeit, die Weltliteratur auszeichnet.

Von Inhalt und Stil her ist diese Neufassung eine wahre Wiederentdeckung mehr für erwachsene Leser. Das unterstreichen auch die vielen faszinierenden Illustrationen, denn Swifts satirischer Ansatz wurde mit Chris Riddell von der Meisterhand des politischen Karikaturisten des "Observer" unübertrefflich umgesetzt. Fazit: ein Klassiker, der in dieser Widerbelebung auch höchsten Ansprüchen gerecht wird.

 

# Jonathan Swift, Martin Jenkins, Chris Riddell: Gullivers Reisen (aus dem Englischen von Günter Jürgensmeier); 144 Seiten, farbig ill., Großformat; Sauerländer Verlag, Düsseldorf; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bel 405 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de