ANTONIA ARSLAN: "DAS HAUS DER LERCHEN"

Den Glanz und den Untergang einer ganzen armenischen Familie schildert der elegant geschriebene Roman "Das Haus der Lerchen". Doch dies ist keine Fiktion, denn die italienische Autorin Antonia Arslan greift zurück auf wahre Begebenheiten, die ihre Vorfahren durchlebt und durchlitten haben in jenem fast totgeschwiegenen Völkermord, den die Türkei 1915 an schätzungsweise 1,5 Millionen Armeniern beging.

Großvater Yervant Arslanian war seinerzeit nach Italien gezogen und ein bekannter Chirurg geworden. Sein Bruder Sempad aber blieb in Ostanatolien, wurde dort Apotheker und gründete eine große Familie. Das väterliche Landhaus, jenen titelgebenden Landsitz, baute er zu einem luxuriösen Sommerhaus um. Zu jener Zeit hatten in der Hauptstadt bereits die nationalistischen so genannten Jungtürken ihr Regime angetreten, zu dessen Programm auch die Ausmerzung der armenischen Minderheit gehörte. Während in der Stadt erste armenische Intellektuelle umgebracht werden, blenden die Armenier im abgelegenen Anatolien die Bedrohung aus und gehen ihrem gewohnten auskömmlichen Alltag nach.

Um Ostern 1915 verschlechtert sich die Lage dramatisch und es ziehen Soldaten in die Kleinstadt ein mit dem Befehl, die armenischen Männer zu verhaften. Was sich bis dahin nur in verstörend sachlichen Vorausblenden andeutet, bricht nun als unfassbares Massaker über sämtliche armenischen Männer herein. Die Übriggebliebenen müssen ihre Sachen für die umgehende Deportation ins syrische Aleppo packen. Damit beginnt ein Elendsmarsch durchs karge Anatolien, bei dem die türkischen Bewacher mit kurdischen Stammeskriegern schachern, damit diese die ohnehin von Hunger, Durst und Krankheiten geplagten Vertriebenen ausplündern und schänden können.

Die Autorin bedient sich einer teils wunderschön bildhaften, dann wieder beklemmend nüchternen Sprache und kommt trotz all des Grauens und des Elends, das dargestellt wird, ohne Effekthascherei oder einseitige Verurteilungen aus. Das wahrhaft Bedrückende an diesem schwermütigen Roman ist jedoch die Tatsache, dass hier reale Ereignisse zur Erinnerung gerufen werden. "Das Haus der Lerchen" ist deshalb ein ebenso schlimmes wie grandioses und wichtiges Buch gegen das Vergessen.

 

 

# Antonia Arslan: Das Haus der Lerchen (aus dem Italienischen von Maja Pflug); 284 Seiten; Page & Turner, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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