BRET EASTON ELLIS: "LUNAR PARK"

"Du siehst dir verblüffend ähnlich", so lautet der programmatische erste Satz in "Lunar Park", dem neuen Roman von Skandal- und Kultautor Bret Easton Ellis, der sich hier und vielleicht auf Dauer vom krassen Porno- und Splattergenre ins quasi seriöse Fach verabschiedet hat. Doch Adieu heißt ganz und gar nicht etwa Vergessen, denn diese Geschichte ist eine ebenso sarkastische wie narzistische Selbstinszenierung des amerikanischen Erfolgsautors. Sein dramaturgischer Trick ist dabei die genial einfache Idee, dass Bret Easton Ellis eine Autobiografie über Bret Easton Ellis verfasst, in der dieser obendrein als Protagonist auftaucht.

Der Autor schildert zur Einführung sein Leben samt schwieriger Kindheit, dramatischem frühen Erfolg als in der 80ern von seiner Generation umjubelter schreibender Widerling bis zum Absturz in Drogenexzesse und Selbstzerstörung. Einiges davon ist Wahrheit, nachlesbare Fakten, das meiste jedoch gediegene Fiktion. Raffiniert spielt Ellis mit der Gier der Öffentlichkeit nach den vermeintlich echten delikaten Details seiner Biografie. Bald jedoch führt er den Leser in sein neues Leben mit Ehefrau, früh gezeugtem Kind und scheinbar normalem Schriftstelleralltag, Affäre mit Studentin inklusive. Aber Ellis lässt das Alles in der Zeit um Halloween vor sich gehen, in der sich bekanntlich Verstorbene wieder rühren und allerlei Übernatürliches zu erwarten sein soll.

Der Mercedes seines vor Jahren plötzlich verstorbenen Vaters taucht immer wieder auf und die alten Hassgefühle des Ich-Erzähelrs rotieren. Dinge aus dem Gestern erscheinen – bis hin zu dem sehr real wirkenden Patrick Bateman aus seinem kruden Kultroman "American Psycho" – und sie verschwinden wieder und Paranoia greift um sich: Hamlet lässt grüßen samt Wahn, Schuldgefühl und Selbstüberdruss. Daraus erwächst zunehmend eine Horrorgeschichte mit vielen blutrünstigen Zutaten und Ellis bekennt dazu offen, dass er Stephen King verehrt. Ihm eifert er zum Finale hin mit schrillen Entwicklungen nach, ohne ihn allerdings ganz zu erreichen.

Ansonsten jedoch ist dem milde gewordenen Zyniker mit seiner fesselnden Selbstdarstellung als zugedröhnter Anti-Held ein bizarres Meisterwerk gelungen, mit dem er sich quasi selbst neu erfunden hat. An seiner harschen Sprachgewalt bestand ohnehin kein Zweifel, mit diesem Wechselbalg von Dichtung und Wahrheit aber dürfte er den Übergang vom Genre-Autor in die Liga der großen Erzähler nicht nur einer Generation geschafft haben.

 

# Bret Easton Ellis: Lunar Park (aus dem Amerikanischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann); 457 Seiten; Kiepenheuer & Witsch, Köln;

€ 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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