CAROLA STERN: "AUF DEN WASSERN DES LEBENS"

Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe waren Ausnahmeerscheinungen der Bühnenkunst und als karrierbewusste Privilegierte genossen sie Möglichkeiten und Ruhm im Dritten Reich wie wenige sonst, doch - waren sie auch Mitläufer des Nazi-Regimes, die sich schuldig gemacht haben? In einer faszinierenden Doppelbiografie unter dem Titel "Auf den Wassern des Lebens" kommt die renommierte Journalistin und Biografin Carola Stern zu einem milden Urteil über die Stars ihrer eigenen Jugend: "Dekorateure der Diktatur" seien sie gewesen.

Es sind die romanhaft spannenden Leben zweier genialer Schauspieler, die da geschildert werden mit dem ehrgeizigen Gründgens (1899-1963), dessen Karriere unter den Nazis als Günstling Görings höchste Höhen erreicht, und mit einer Marianne Hoppe (1909-2002), die in Film und Öffentlichkeit jene deutsche Idealfrau vorlebt, wie sich Hitler sie vorstellte. 1936 hatten die Beiden geheiratet, allerdings verband sie eher eine freundschaftliche Zweckbeziehung und der äußere Schein minderte die damals nicht ungefährlichen Gerüchte um die sexuellen Ausrichtungen beider.

Welch charismatische Wirkung dieses "Glamourpaar des deutschen Theaters" damals ausübte, weiß die Autorin aus eigener Erfahrung zu berichten, doch auch die Kapitel über die Frühzeit beider fesseln ungemein mit ihrem hervorragend recherchierten Zeit- und Lokalkolorit und den intensiven Porträts wichtiger Zeitgenossen. Beide waren keine Nazis und dennoch stieg Gründgens zum Intendanten des Preußischen Staatstheaters auf und UFA-Star Hoppe wurde in den Rang einer Staatsschauspielerin erhoben. Zugleich versteckte sie in ihrer Wohnung den jüdischen Freund Dreyfuss und auch Gründgens half bedrängten Freunden und Kollegen. Der Mime machte später wenig hehl aus der Verstrickung in dieses unselige Gestrüpp: "Wir zollten dem Teufel Tribut, ohne ihm unsere Seele zu verkaufen."

Aber auch die Zeit nach den Nazis sah die Beiden, die sich 1946 scheiden ließen, in strahlendem Licht, wenngleich auf konträren Bahnen. Wo der mittlerweile erzkonservativ gewordene Schauspieler, Regisseur und Intendant eisern am klassischen Theater festhielt, öffnete sich Marianne Hoppe mit Begeisterung allem Neuen und das bis kurz vor ihrem Tod mit Erfolg. Gründgens dagegen endete vor der Zeit durch einen tragischen Tod, als er eben "aussteigen" wollte, und hinterließ das schillernde Bild eines Genialen, der von frühen Neigungen zur KPD über die Rolle des Göring-Günstlings bis zum Träger des Bundesverdienstkreuzes (1954) und Aushängeschild des Adenauer-Staates die Verwerfungen des Jahrhunderts geradezu exemplarisch verkörperte. Carola Stern fügt das Alles in eine souverän und höchst lebendig geschrieben Doppelbiografie zweier in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Menschen.

 

# Carola Stern: Auf den Wassern des Lebens; 400 Seiten, div. Abb.; Kiepenheuer & Witsch, Köln;

€ 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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