KIRSTEN FUCHS: "DIE TITANIC UND HERR BERG"

Als die meistens arbeitslose Tanja, Anfang 20, im Berliner Sozialamt zum ersten Mal Peter Berg gegenübersetzt, bekommt der Begriff 'mein Sachbearbeiter' eine ganz andere, spezielle Bedeutung. Dieser 42-Jährige mag zwar kein Mann sein, den man nicht vergessen könnte, für sie jedoch ist er umgehend die Erfüllung ihrer Träume von Liebe und Familie. Wie eine Titanic will sie deshalb in den Eisberg seines Lebens krachen.

"Die Titanic und Herr Berg" ist denn auch diese ganz und gar nicht zuckersüße Liebesgeschichte überschrieben und man mag kaum glauben, dass dieser souverän erzählte lebenspralle Roman das Debüt der jungen Kirsten Fuchs ist, 1977 in Chemnitz geboren und gelernte Tischlerin. Treibend, deftig, deutlich bis drastisch in den zahlreichen hocherotischen Passagen und zuweilen von staubtrockenem Humor durchzogen, erzählt sie von der Beziehung zwischen der sexuell unersättlichen Tanja und dem eher schlaffen Sozialamtsbeamten, der nach zwei gescheiterten Ehen zwischen Fatalismus und Langeweile schwankt, aber immerhin im Bett für mehr als nur körperliche Befriedigung sorgt.

Die holt sie sich zwar ganz nebenher auch bei anderen Männern oder in kreativer Selbstversorgung, Peter Berg jedoch wird ihr zur "legalen Droge mit warmer Haut", die sie sogar von einem richtigen Familienleben mit ihm träumen lässt. Er allerdings bleibt emotional unbelebt und versucht schließlich sogar, sich von ihr zu befreien. Das bleibt bis zuletzt spannend, denn die Autorin erzählt mal aus ihrer, mal aus seiner Sicht, stets aber mit der Detailgenauigkeit eines an allem interessierten Insektenforschers.

Dabei gelingen herzerfrischend satirische Ausführungen über Peters Verhältnis zu seinen pubtertierenden Kindern und frivole Einsprengsel über Tanja als sexuell dauerhungriger Mittelpunkt ihres Mittelpunktes. Kirsten Fuchs erweist sich als hinreißende Wortedrechslerin, der in ihrer lakonischen, direkten und treffsicheren Sprache immer wieder großartige Sätze wie selbstverständlich herausperlen. Das ist zwar nichts für Romantiker und Schöngeister, aber auf solch schräge Weise lebensnah, dass diese Autorin wie ein Hecht unter den müde gewordenen Karpfen des literarischen Fräuleinwunders der letzten Jahre wirkt. Um so mehr darf man auf ihren nächsten Streich gespannt sein.

 

# Kirsten Fuchs: Die Titanic und Herr Berg; 286 Seiten; Rowohlt Verlag, Berlin; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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