CORNELIA FUNKE: "TINTENBLUT"

Auch ein Jahr nach ihren gefährlichen Erlebnissen kann Meggie "Tintenherz" nicht vergessen, jenes Buch, dessen Gestalten durch Vorlesen Wirklichkeit wurden. Wer seinerzeit mit ihr mitgefiebert hat und doch etwas unzufrieden über offene Fragen zum Schluss des spannenden Romans war, der bekommt nun des Rätsels Lösung: Erfolgsautorin Cornelia Funke legt mit "Tintenblut" eine grandiose Fortsetzung vor und verrät außerdem, dass sie bereits am dritten Band schreibt.

"Tintenblut" beginnt mit dem verzweifelten Versuch Staubfingers, in seine Welt zurückzukehren, aus der ihn und die Charaktere aus dem ersten Buch Meggies Vater Mo herausgelesen hatte. Kein Preis war ihm zu hoch und nun hat er den skrupellosen Vorleser Orpheus gefunden, der eine ähnliche Zauberzunge wie Mo und dessen Tochter hat. Staubfinger, der Feuerspucker, gelangt tatsächlich in die mittelalterliche Welt der Buchstaben, die "Tintenweber" Fernoglio" einst erdacht hat und in die der Dichter schon im ersten Teil verschwunden war.

Doch Staubfinger hat den ihm treu ergebenen Lehrling Farid zurückgelassen und dem gelingt es, Meggie, die mit ihrer Familie bei der büchersammelnden Tante Elinor lebt, zu einem riskanten Abenteuer zu verführen. Ständig träumt sie von den fantastischen Dingen, von denen ihre Mutter Resa nach ihrer zehnjährigen Gefangenschaft in der Tintenwelt berichtete. Nun liest sie sich und Farid, den Mo aus den "Geschichten aus 1001 Nacht" herausgelesen hatte, in die Welt aus dem "Tintenherz"-Buch. Während ihren Eltern fast das Herz bricht, geraten die 13-Jährige und ihr jugendlicher Begleiter in ausgeprochen reale und lebensgefährliche Ereignisse in dieser so faszinierend anderen Welt.

Aber auch Staubfinger schwebt immer wieder in Gefahr, denn die Tintenwelt ist voller Gaukler, Räuber und Spione. Letztere vor allem für den Natternkopf, den finsteren Fürsten des Bösen, der freie Bahn für sein Regiment wittert, als sein Gegenspieler, der bücherliebende Speckfürst, vor lauter Trauer um seinen durch Brandstifter umgekommenen Sohn Cosimo dahinsiecht. Doch auch in der hiesigen Welt braut sich Schlimmes zusammen, denn der blutrünstige Messerheld Basta, die widerwärtige Mortola und Vorleser Orpheus platzen in Tante Elinors Haus hinein.

Basta und Mortola wollen Rache für das, was ihnen Mo im ersten Buch angetan hat, und so liest Orpheus sie alle in die Tintenwelt. Dort versucht Dichter Fernoglio verzweifelt, seine "Tintenherz"-Geschichte durch neu erfundene Passagen wieder ins Lot zu bringen, doch die hat sich längst selbstständig gemacht. Meggie und Farid haben ihn zwar gefunden und immmer aufs Neue liest das mutige Mädchen Änderungen herbei, dennoch droht ihnen allen ein grausames Schicksal.

Mehr soll von dem bis zur letzten Zeile fesselnden Geschehen voller unerwarteter Wendungen nicht verraten werden. Nur so viel: um ins Jetzt zurückkehren zu können, liegen die Hoffnungen für Meggie und ihre Eltern offenbar ganz in der Lesezauberkraft jenes Orpheus, davon jedoch erzählt dann der letzte Teil der Trilogie. "Tintenblut" jedenfalls begeistert mit seiner ebenso reichen wie intelligenten Fantasie, den wunderbar lebendig gezeichneten Charakteren und seiner schönen plastischen Sprache, aber auch Cornelia Funkes Illustrationen sind eine Bereicherung. Fazit: ein tolles Jugendbuch über die Macht und den Zauber der Bücher und zugleich ein literarisches Meisterwerk, das ganz gewiss an den Welterfolg seines Vorgängers "Tintenherz" anknüpfen wird.

 

# Cornelia Funke: Tintenblut; 736 Seiten, ill.; Cecilie Dressler Verlag, Hamburg;

€ 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN

(wan/JULIUS)

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