LEA SINGER: "DAS NACKTE LEBEN"

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Frau an der Seite eines Genies geschmäht wird oder man sich zumindest fragt, warum sie diesen Platz innehaben durfte. Aber nur bei wenigen ist diese Frage mit so viel Antipathie und gar blankem Hass beantwortet worden wie bei Constanze Mozart, der Ehefrau des vielleicht genialsten aller musikalischen Genies.

Lea Singer widmet sich dieser für Mozarts Leben und Karriere überaus wichtigen Frau mit dem biografischen Roman "Das nackte Leben". Hervorragend recherchiert schildert sie einen großen Teil von Mozarts Leben aus der Sicht dieser jungen, lebenstüchtigen Frau und Mutter seiner Kinder. Zäh, gescheit und pragmatisch erscheint sie hier an der Seite des zierlichen Maestros, dessen künstlerisch unvergleichliche Genialität im krassen Gegensatz zur sonstigen Lebensuntüchtigkeit bis in kleine Alltäglichkeiten hinein steht.

Hinreißend ist dabei die Einführung in den Roman, der mit Constanze an Mozarts Totenbett beginnt und mit ebenso starken Bildern wie Dialogen fesselt. Aber auch der Rückblick überzeugt, wenn aus ihrer Sicht die Entstehung und Wirkung mancher Meisterwerke Mozarts geschildert wird. Zugleich sieht man die immer wieder unerfreulichen zwischenmenschlichen Konflikte einmal aus anderer Perspektive, sei es Mozarts glücklose Schwärmerei für Constanzes Schwester Aloisia, sei es sein bitterer Dauerkonflikt mit Vater Leopold.

Tief sind die Einblicke in den chaotischen Lebensstil Mozarts, bei dem die Gattin seine Launen durchleidet aber auch die Sternstunden mitfeiert, um zugleich auch Komplizin bei seinen Albernheiten und Exzessen zu werden, die immer wieder in Verschuldung und Verzweiflung münden. Doch auch jene Jahrzehnte nach Mozarts Tod sind Stoff für spannende Kapitel aus einem ungewöhnlichen Leben, obwohl die Autorin hier das Dokumentarische in den Vordergrund stellt. Den harten negativen Urteilen der meisten Mozart-Biografen über ihre Person und die Bedeutung ihrer Rolle an seiner Seite tritt sie entgegen, ohne entgegengesetzte Heldinnenverehrung zu betreiben, dafür aber auf dem Boden konkreter Dokumentation wandelnd.

Lea Singer gelingt es, das Leben Constanze Mozarts glaubhaft und dank viel Lokal- und Zeitkolorits auch authentisch darzustellen. Vor allem aber wird auch der Mensch hinter dem Genie Mozart aus diesem ganz besonderen Blickwinkel erkennbarer. "Das nackte Leben" ist ein ebenso schnörkellos wie souverän geschriebener Roman und dennoch könnte er das wirkliche Geschehen in starkem Maße real nachgezeichnet haben.

 

# Lea Singer: Das nackte Leben; 377 Seiten; DVA, München; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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