OLGA FLOR: "TALSCHLUSS"

Es ist ja nur ein Familienfest auf einem abseits gelegenen renovierten Bergbauernhof, das die Ich-Erzählerin Katharina als Event-Managerin arrangiert. Zum 60. Geburtstag für die selbstbewusste Lebenshelferin Grete, die alles perfekt wünscht, an allerlei esoterischen Schnickschnack glaubt und ganz und gar das typische alles beherrschende Muttertier ist. Idylle scheint also angesagt in dem schönen Tal.

Katharina spürt jedoch die unterschwellig brodelnde Aggression und nicht nur für die angereisten Kinder erwächst daraus ein seltsam bekannt erscheinendes Gefühl des Eingesperrtseins. Während die Festgesellschaft subtil miteinander ringt, flüchtet sich die verunsicherte Mittdreißigerin Katharina in eine ebenso flüchtige wie panisch intensiv genossene Affäre mit einem der von ihr engagierten viel jüngeren Festmusiker.

Und in ihren peniblen Schilderungen sämtlicher innerer und äußerer Veränderungen tut sich etwas, das scheinbar harmlos einsetzt. Es ist die Natur, die zur Bedrohung wird, als auf den Wiesen rundherum eine Tierseuche ausbricht. Wahn und Wirklichkeit ringen miteinander und es bleibt einer wie ein fremdes Wesen auftretenden Tierärztin vorbehalten, den Schleier von der vermeintlichen Idylle zu reißen, als sie den amtlichen Talschluss verfügt und niemand mehr den Hof verlassen darf.

"Talschluss" ist auch der Titel dieses Familienromans der besonderen Art von Olga Flor. Raffiniert treibt sie die heimtückische Gemächlichkeit dieser eher ereignisarmen Alpenidylle in die Enge des klaustrophobischen Wahns. Es ist die lakonische und zugleich fast pedantische Selbstbeobachtung der Ich-Erzählerin, die virtuos für die unentrinnbar steigende Spannung sorgt. Fazit: eine Familie gerät unter Quarantäne und die Außerseiterin mittendrin erzählt eine Geschichte auf hohem literarischen Niveau.