JEAN-CHRISTOPHE RUFIN: "GLOBALIA"

Globalia heißt die Welt der Zukunft, keine Kriege, riesige Glaskuppeln sorgen für immerwährendes angenehmes Klima und die Menschen werden dank entsprechender Mittel und immer neuer chirurgischer Eingriffe uralt. Ein Paradies mit bösen Fehlern, entstanden aus einer unheiligen Allianz von Alten, Wirtschaftsmagnaten und Geheimdiensten.

"Globalia" heißt auch der utopische Thriller, in dem der französische Erfolgsautor Jean-Christophe Rufin die glorreichen Qualitäten eines solchen Systems als spannendes Menetekel an die Wand malt. Der Jugendwahn ist längst der Tyrannei der Alten gewichen, Vergangenheit ist ähnlich verpönt wie junges Volk oder Jahreszahlen. In der streng reglementierten Welt sind rundum alle bestens versorgt, nur Abenteuer sind verboten.

Der Gesellschaftsschutz ist die allgegenwärtige Macht, die dieses perfekteste aller demokratischen Gemeinwesen absolut beherrscht, denn der wichtigste Grundsatz für die Sicherheit Globalias lautet schlicht: "Die größte Bedrohung der Freiheit ist die Freiheit selbst!" Freiheit braucht also Überwachung und Grenzen. Doch selbst in dieser so heilen Welt gibt es Rebellion, denn einer wie Baikal – natürlich gehört er zu den ebenso seltenen wie verdächtigen Jungen – begehrt auf und entflieht mit seiner Freundin Kate dem absoluten Wohlfahrtsstaat sogar. In jene Non-Zonen der archaischen Welt von gestern außerhalb der Glaskuppeln.

Das Regime fängt ihn jedoch schnell wieder ein, aber nur um ihn mit perfiden Hintergedanken bald wieder freizusetzen und als den Neuen Feind, als Terroristen, zur großen Bedrohung aufzubauen. Schließlich ist Angst das beste Bindeglied in einer ansonsten sorglos freien Gesellschaft - wie könnte die Demokratie samt Grundrechten und Pressefreiheit wikrungsvoller ausgehöhlt werden. Ein klares Feindbild schafft Ordnung, Big Brother gibt Sicherheit und die gute Regierung geht mit aller Härte gegen das Böse vor. Wenn dann Baikal, Kate und andere uneinsichtige Individualisten tatsächlich etwas aufrühren, dient selbst das noch dem System....

Utopie? Dass Wirtschaftsbosse global die politischen Kräfte austricksen oder sich kaufen, dass Gewinnmaximierung zum Heiligen Kalb wird, dass Rundum-Kontrolle wegen des angeblich überall lauernden Groß-Terrorismus das Allheilmittel ist? George Orwells "1984" scheint längst überholt und Aldous Huxley's "Schöne neue Welt" ein Vorentwurf dieses "Globalia" zu sein. Verdammt gut vorstellbar wirkt diese Zukunft und deshalb hat Rufin diesen packenden Roman ja auch geschrieben – dass der Leser sich ein gesundes Misstrauen bewahre.

 

# Jean-Christophe Rufin: Globalia (aus dem Französischen von Claudia Steinitz); 501 Seiten; Kiepenheuer & Witsch, Köln; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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