HARTMANN/HÜRTER: "DIE LETZTEN 100 TAGE....."

Am 30. Januar 1945 feiert das Dritte Reich den 12. Jahrestag seiner Machtergreifung. Zu diesem Zeitpunkt stehen die Amerikaner an der westlichen Reichsgrenze und die Sowjetarmeen an der Oder, kaum 100 km vor Berlin. Genau 100 Tage hat dieses "1000-jährige Reich" von nun an noch, bis mit der Unterzeichnung der Kapitulation am 9. Mai um 0.16 Uhr in Berlin-Karlshorst der Untergang vollzogen und der Zweite Weltkrieg – auf dem europäischen Schauplatz zumindest – beendet ist.

Was aber geschah in diesen letzten 100 Tagen, in denen der verkündete "totale Krieg" endgültig in die totale Niederlage mündete? Der Textbildband "Die letzte 100 Tage des Zweiten Weltkriegs" zeigt eine Übersicht mit 100 Momentaufnahmen über brennende Städte, Todesangst, Häuserkampf, über Schuld und Vergeltung, Verzweiflung und nur vereinzelt vage Hoffnung. Für jeden Tag gibt es eine Doppelseite mit Berichten von bekannten und unbekannten Zeitzeugen sowie zahlreichen Bilddokumenten. Angefügt im Telegrammstil sind außerdem wichtige Ereignisse an allen Fronten.

Da berichtet z.B. ein jugendlicher Flakhelfer von den Bombennächten in Berlin, ein Soldat erzählt von der "Festung Breslau" und eine Wehrmachtshelferin aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft. Ein belgischer Häftling erinnert in Tagebuchaufzeichnungen an die Greuel im KZ Dachau, die Hungermärsche von KZ-Insassen werden beschrieben, während eine deutsche Hausfrau einen Eindruck vom Alltag an der Heimatfront vermittelt.

Die renommierten Historiker Christian Hartmann und Johannes Hürter vom Institut für Zeitgeschichte in München fügen die Geschichten der 100 Tage zu einem beklemmenden Geschichtsbuch zusammen. Da fehlen nicht die Flüchtlingsdramen und Gewaltorgien im Osten, aber auch der Volkssturm mit seiner Elendsarmee aus alten Männern und Schülern und die bis zuletzt aktiven Standgerichte finden Erwähnung. Und es graust einem, wenn man unter dem 6. Mai aus dem Abhörprotokoll eines gefangenen Wehrmachtsgenerals liest, der sich dabei voll zum Barbarentum bekennt.

Fazit: ein gutes und wichtiges Buch zum 60. Jahrestag der Kapitulation, dessen Abschlussbilanz noch einmal das ganze Ausmaß von Schuld und Sühne mit den unglaublichen Zahlen an Tätern und Opfern vor Augen führt.

 

# Christian Hartmann, Johannes Hürter: Die letzten 100 Tage des Zweiten Weltkriegs; 224 Seiten, div. Abb., Großformat; Droemer Verlag, München; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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