JOHN KEEGAN: "DER ZWEITE WELTKRIEG"

Unverständlich wird es bleiben, warum John Keegans hervorragendes Standardwerk über den Zweiten Weltkrieg erst jetzt mit 15 Jahren Verspätung auch auf Deutsch erscheint. Schon sein großes Buch zum Ersten Weltkrieg erwies sich sofort als Standardwerk und ohnehin zählt der britische Erfolgsautor bekanntlich zu den bedeutendsten Militärhistorikern.

"Der Zweite Weltkrieg" ist das umfangreiche Werk überschrieben und Keegan setzt der enormen Fülle der Fakten eine sinnvolle Aufgliederung entgegen. Er teilt den Krieg auf mit dem Jahr 1943 als Wendepunkt und den Kriegszonen Westen, Osten und Pazifik. Zudem verliert er sich nicht in unzähligen Schlachtenbeschreibungen sondern fokussiert diese einerseits auf entscheidende Ereignisse, während er andererseits exemplarische Arten der Kriegsführung wie zum Beispiel die erste große Luftlandeaktion auf Kreta oder die bahnbrechende Flugzeugträgerschlacht bei den Midway-Inseln eingehend beschreibt und analysiert.

Keegan gelingt es durchgehend, das Geschehen mit seinen komplexen militärischen, strategischen und politischen Vorbedingungen und Verknüpfungen verständlich zu machen. Die eigentliche Kriegsmaschinerie und ihr Wirken miteinander und gegeneinander samt Fehlern und Erfolgen, Neuerungen und Überraschungen werden spannend aufgeschlüsselt. Der entscheidende Vorteil des Buches liegt gerade in der nüchternen Sachlichkeit des Militärhistorikers, der die Dinge dennoch höchst lebendig und zugleich wohltuend ausgewogen darlegt.

Das Werk widmet sich gezielt den militärischen Aspekten, so dass man wesentliche Betrachtungen zu Ideologischem ebenso wenig erwarten darf wie eingehendere Passagen über Holocaust oder Widerstand. Andererseits werden rationale Schlüsse aus Entscheidungen und Entwicklungen gezogen, die eben diese aufs Faktische reduzierte Darstellung erlaubt, wenn zum Beispiel der Beweis geführt wird, dass der anglo-amerikanische Bombenkrieg gegen deutsche Großstädte statt gegen direkte militärische Ziele falsch war oder dass der Partisanenkrieg auf dem Balkan keine kriegsentscheidende Wirkung erzielt hat.

Zu bemängeln wäre allenfalls eine gewisse eurozentrische Proportionierung der Ausführungen hinsichtlich der Kriegsschauplätze, doch gerade für deutsche Leser erscheint dies hinnehmbar. Zumal sie durch die immer wieder überzeugenden Analysen der Strategien der Hauptakteure um ein Vielfaches wettgemacht werden. Keegan bezeichnet den Zweiten Weltkrieg als "für sich genommen das größte Ereignis in der Menschheitsgeschichte." Fazit: dem Autor ist eine dem absolut angemessene Gesamtdarstellung mit diesem Werk gelungen.

 

# John Keegan: Der Zweite Weltkrieg (aus dem Englischen von Hainer Kober); 896 Seiten, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Berlin; € 34,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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