BOB DYLAN: "LYRICS 1962 – 2001"

Warum Bob Dylan ohne Zweifel der größte Songschreiber aller Zeiten ist? Er hat "aus Worten und Musik ein nahezu unendliches künstlerisches Universum geschaffen, das den gesamten Globus durchdrungen und wirklich die Weltgeschichte verändert hat." Mit diesen Worten begründete der amerikanische Literaturprofessor Gordon Ball 1996 die Nominierung Dylans für den Literatur-Nobelpreis und treffender kann man es kaum ausdrücken.

Noch hat der Mann mit der genialen Mehrfachbegabung den Preis zwar nicht, wie sehr er ihn jedoch verdient hätte, davon können sich die Millionen Verehrer seiner Kunst nun in kompakter Form überzeugen. Gab es als aktuellste Sammlung der Texte bisher nur jene, die bis 1985 reichte, liegt mit "Lyrics 1962 – 2001" erstmals ein Kompendium vor, das Dylans Schaffen als Songwriter über vier Jahrzehnte dokumentiert.

Vom ersten Songtest aus seiner Feder, dem galligen "Let me die in my Footsteps" bis zu "Sugar Baby" vom jüngsten, dem 28. Original-Album "Love and Theft" fehlt bis auf wenige Kooperationen mit anderen Autoren und seinen Beiträgen auf den Alben der Traveling Wilburys kein Text, der jemals veröffentlicht wurde. Die Songs sind dem jeweiligen Album zugeordnet und es kommen eine Fülle von solchen hinzu, die zur selben Zeit geschrieben und aufgenommen wurden, dann jedoch aus verschiedenen Gründen entweder gar nicht oder später auf andere Weise herausgebracht wurden.

Darunter sind dann durchaus echte Juwelen wie jenes "Series of Dreams", das während der Zusammenarbeit mit Danile Lanois entstand, aber erst 1991 mit den "Bootleg Series No. 3" erschien. Und es findet sich "Things have changed", mit dem der einstige Poet der Rebellion 1999 den Oscar für den besten Filmsong ("The Wonderboys") erhielt, ein Song, der in der Phase von "Time out of Mind" entstand, jenem genialen Spätwerk von 1997. Wer Näheres zu Dylans Art des Schreibens, den Prägungen und den Findungsprozessen erfahren will, dem sei dazu die parallel erschienen Autobiographie "Chronicles. Volume One" empfohlen.

Die den Dylan-Texten gegenüber gestellten Übersetzungen hat der erfahrene Gisbert Haefs mit viel Gespür verfasst. Er bleibt nah an den Orginalen, hatte aber häufig das Problem der vielfachen Deutungsmöglichkeiten bei den Vorgaben des Sprachmagiers. Die Übertragungen sind weitgehend gut gelungen, zugleich ist zu begrüßen, dass die Vorgaben des Dylan-Managements nur minimale Abweichungen und keine 'Nachdichtungen' zuließen.

Die Aufmachung des Großbandes ist hervorragend und glänzt sowohl mit den stilisierten Coverbildern der jeweiligen Alben wie jeweils mit einem Abdruck handschriftlicher Liedertextezeilen des Meisters. Und wer noch nicht gewusst haben sollte, dass Dylans Texte auch ohne Musik faszinierende Lyrik vom Feinsten sind: hier hält er den Beweis vielhundertfach in den Händen!

 

# Bob Dylan: Lyrics 1962 – 2001 (mit deutschen Übersetzungen von Gisbert Haefs); 1151 Seiten; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 39,90

# Bob Dylan: Lyrics 1962 – 2001 (mit deutschen Übersetzungen von Gisbert Haefs); 1151 Seiten, im Schmuckschuber/Nummerierte, auf 3000 Exemplare limitierte Ausgabe; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 78

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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