DIETER HILDEBRANDT: "AUSGEBUCHT"

Für Dieter Hildebrandt, Deutschlands Kabarettisten mit der wohl geschliffensten Zunge, gab es ein Leben vor dem Fernsehen, dann ein sehr erfolgreiches mittendrin und nun eines nach dem Fernsehen, ein nicht mehr 'formatiertes'. Aber natürlich setzt sich ein so quirliger Geist nicht zur Ruhe und so ist er mit seinen jetzt 79 Jahren als Ich-AG noch ständig unterwegs.

Und stets "Ausgebucht" – so auch der Titel seines neuen Buches. Von Formatierungen quasi befreit, gibt er sich in all den Geschichten vom dauernden Herumreisen zu den unterschiedlichsten und nicht immer sehr erbaulichen Auftrittsorten gerade noch geistreich und humorvoll ironisch, um im nächsten Satz mit giftigem Satire-Degen dazwischen zu fahren. Er nennt beim Namen, was ihm missfällt oder ihn ärgert und – mag er noch so freundlich lächeln – die Gemeinten würden stöhnen oder aufschreien, wenn sie's denn hörten oder läsen.

Ein immer wiederkehrender Quell besonderer Freude ist ihm die Deutsche Bahn, die er zum Reisen bevorzugt. Obwohl er sie wahrhaft oft genug als real zu durchleidende Geisterbahn erlebt: "Sie ist furchtbar." Allerdings zählen gerade die Bahngeschichten und hier besonders die mit dem lästigen Max Meusel als unwillkommenem Vielfach-Reisebegleiter zu den schönsten Passagen. Da ist manches schlicht zum Steinerweichen komisch und auch ein Loriot hätte seine schiere Freude daran.

Doch Hildebrandt versteht sich ebenso auf die genialen Abschweifungen, die hier noch abschweifiger sind mit überraschenden Umorientierungen z.B. vom Elend zu hoch besternter Hotels über bräsige Denkmäler mitten hinein in Galliges zu Kriegswahnsinn und zur Mordlust vorgeblicher Gotteskrieger. Und noch immer sind seine Spitzen gegen Politiker höchst aktuell, wenn der Agenda-Messias Schröder sein Fett abkriegt auf der "Hartzreise" oder durch Angela Merkel Kohl noch Köhler wird.

Die sonst gewohnten raffinierten Halbsätze und Absichtsversprecher aus den Fernsehsendungen gleicht der Sprachmagier beim geschriebenen Wort durch eleganten und durchweg Herz und Geist erfrischenden hinterhältigen Sprachwitz aus. Das ist dann bis zur letzten Zeile eine hinreißende Lektüre, ebenso gehaltvoll und witzig wie spitzfindig. Hildebrandt versteht es, das Elend mediokrer Politiker und geistloser Sprachpanscher für ein paar Stunden durch die Satirebrille erträglicher zu machen. Dafür gebührt ihm allerhöchster Dank.

 

# Dieter Hildebrandt: Ausgebucht. Mit dem Bühnenbild im Koffer; 255 Seiten; Karl Blessing, München; € 19

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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