ROBERT SCHNEIDER: "KRISTUS"

Einer ebenso unwirklichen wie authentischen Figur der Geschichte widmet sich Erfolgsautor Robert Schneider mit seinem neuen Roman "Kristus". Just das hatte der achtjährige Jan Beukels aus dem hollandischen Leyden dmals zu Beginn des 16. Jahrhunderts seinem Lehrer erklärt, wolle er werden: ein neuer Heilsbringer. Tatsächlich schwang er sich später bis zum Herrscher von Münster auf, um schließlich schmählich im Eisenkäfig am dortigen Lamberti-Kirchturm zu verenden.

Die Zeit schien aus den Fugen in jenen unruhigen Jahren, als Seuchen wüteten, der Erde ein Komet drohte und Luther wider den Papst predigte. Früh schon war Jan von einer Begierde nach dem rechten Glauben aber auch dem Wunsch nach einem ruhmvollen Leben beseelt. Als weitgereister Kaufmann wird er in Lissabon Zeuge einer Autodafé und sein Begehren nach einem anderen, wahren Christenglauben wird noch brennender als der Hass auf das Papsttum.

Da hört er vom protestantischen Münster als der Stadt der Offenbarung. Dorthin strömen die Menschen, um Wiedertäufer zu werden und das Himmlische Jerusalem ohne Obrigkeit aber in große Gottesfurcht zu errichten, denn allerorten wird das Erscheinen des Jüngsten Gerichts erwartet. Jan Beukels ist 23, als er in die Stadt einzieht. Dort verkündet der finstere Mathys das Heil der Wiedertaufe, doch seine Art des Gottesstaates wird zur Heimsuchung, denn sein Regiment entwickelt sich allmählich zur Schreckensherrschaft. Gleichwohl ist Jan davon besessen, Münster zur Stadt der Frommen, der Gleichheit und der Freiheit zu machen.

Während jedoch der despotische Mathys den redegewandten Gefolgsmann zum Propheten erklärt, zieht der korrupte Bischof Franz von Waldeck namens der Obrigkeit Truppen zusammen und belagert die Stadt, um die Rebellion der Schwarmgeister zu beseitigen. Nach vielen Scharmützeln erwartet alle Welt zu Ostern 1534 das große Weltgericht. Stattdessen jedoch vollführt Mathys einen wahnsinnigen Ausbruch, der tödlich endet.

In der Stunde der größten Enttäuschung und Betrübnis unter den Wiedertäufern ist es Jan, der mit seinem Charisma das Volk betört. Maßlos, selbstgerecht, visionär und von schweren Launen geplagt, schwingt er sich sogar zum König von Münster auf. Angst, Tod und Verderben ziehen ein in die belagerte Stadt, bis des Bischofs Landsknechte im Sommer 1535 für das grausame Ende des Aufruhrs sorgen. "Wo immer Menschen einer Utopie erlegen sind, mussten sie scheitern und oft daran zerbrechen", erklärt der Autor schon im Vorspruch und ganz so verlief auch das Schicksal des Jan van Leyden.

"Kristus" ist sicher kein Stück Weltliteratur wie Schneiders großer Erfolg "Schlafes Bruder", doch ein prachtvoller Historienroman ist das Werk allemal. Dabei krönt der Sprachvirtuose das exzellent ausgebreitete Zeit- und Lokalkolorit durch eine gelungene altbackene Diktion, die dem episch breiten Erzählstrom einen besonderen Stempel der Authentizität aufdrückt.

 

# Robert Schneider: Kristus. Das unerhörte Leben des Jan Breukels; 608 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin;

€ 24,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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