GERHARD SEYFRIED: "DER SCHWARZE STERN DER TUPAMAROS"

Fred Richter ist ein echter 68er, als er Anfang 1974 Jenny in der Münchner linken Szene kennenlernt. Da tummeln sich Studenten, Spontis, Haschrebellen, K-Grüppler und Revolutionsromantiker. Sie demonstrieren gegen rechtsgewirktes Unrecht in der Welt, sie palavern und zuweilen geraten sie mit der furchtbar humorlosen Polizei aneinander.

Das ist der Einstieg zum deutlich autobiographischen Roman "Der schwarze Stern der Tupamaros", verfasst von Gerhard Seyfried, selbst über Jahrzehnte einer der wichtigsten Chronisten der linken Szene. Treffen bei der Roten Hilfe, Sprühaktionen, Kontakte zu Mitgliedern von RAF und 'Bewegung 2. Juni' und dann Jennys Neigung zu kriminellen Grenzüberschreitungen, die in immer konkreter werdende Pläne für Banküberfälle übergehen.

Fred merkt gar nicht so recht, wie er nach einem eher fröhlich-anarchischen Sommer von der Spaßguerilla ins terroristische Umfeld abzugleiten droht. "High sein! Frei sein! Terror muss dabei sein!" Da versteht die ohnehin repressive Staatsmacht keinen Spaß und die Überreaktionen steigern sich, treiben damit aber zugleich die aufbegehrenden jungen Menschen in die extremistische Szene. Da ist es ein überaus heilsamer Schock für Fred, als Jenny nach der Lorenz-Entführung im Februar 1975 in Berlin verhaftet wird, bevor er zum ersten richtigen Verbrechen schreitet.

Gewaltdiskussionen, Waffen, falsche Papiere, Observierungen und Verhaftungen – Fred ist verdammt nah dran an dem, was 1977 schließlich in den "deutschen Herbst" mündete, während Jenny sogar zu fataler Prominenz aufsteigt. Da spürt man die eingehenden persönlichen Kenntnisse des Autors, der seine höchst detaillierten Schilderungen durch den ständigen Einschub echter Nachrichtenmeldungen jener wilden 70er Jahre noch authentischer nachvollziehbar macht. Hinzu kommen die unmittelbare Insider-Sprache von damals und ein Glossar mit wichtigen Erläuterungen.

Ein Versäumnis ist sicher, dass Seyfried die möglichen Spannungseffekte nicht ausnutzt sondern die bewegten Zeiten eher reportagemäßig plastisch macht. Das gerät dann auch dank des hervorragend ausgebreiteten Zeitkolorits interessant wie ein hochkarätiger Dokumentar-Spielfilm, nur einen Thriller sollte nicht erwarten.

 

# Gerhard Seyfried: Der schwarze Stern der Tupamaros; 335 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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