PABLO NERUDA: "IN DEINEN TRÄUMEN REIST DEIN HERZ"

Pablo Neruda war der wohl bedeutendste Dichter des 20. Jahrhunderts und am 12. Juli 2004 wäre sein 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass sind gleich drei Bücher mit Werken von oder über ihn erschienen, allen voran "In deinen Träumen reist dein Herz" mit 100 seiner schönsten und bedeutendsten Gedichten aus seiner langen Schaffenszeit von 1919 bis kurz vor seinem Tod 1973.

Herausgeber Fritz Rudolf Fries (auch kongenialer Übersetzer vieler Gedichte Nerudas) bezeichnet den Band als das lyrische Vermächtnis des tellurischen Dichters, dessen Bestreben es war, "die Erde als einen Lebensort des Menschen zu bewahren." Mag der Literaturnobelpreisträger von 1971 auch ein wichtiger politischer Dichter gewesen sein, so war sein eigentliches Genie das des "Dichters der Liebe", wie ihn seine Geliebte, Muse und spätere Ehefrau Matilde Urrutia nannte.

So finden sich in dem Band vor allem die großen Themen des Herzens von der Einsamkeit und der Sehnsucht. Schon der 15-Jährige schrieb in seine erst vor einigen Jahren wiedergefundenen Schulhefte so tief Berührendes über einen Abschied wie jenes "Seit du gegangen bist". Faszinierend aber auch die Reihe wunderbarer Oden von hinreißender Leidenschaft des Gefühls in dieser unaufhörlichen schöpferischen Kraft des Wortes, die von Ehrfurcht gebietender Schönheit ist.

Doch es sind auch Gedichte aus Nerudas frühem Meisterwerk "Aufenthalt auf Erden" (1925-1931) enthalten, mit dem er seinen internationalen Ruf begründete. Wer sich diesen des nun auch politisch denkenden Autors eingehender widmen will, kann das in einer Neuauflage des Zyklus tun, die ebenfalls zum 100. Geburtstag erschienen ist. In diesem Werk löst Neruda endgültig die Formen auf, vermischt freie Verse virtuos mit klassischen Formen – absolut nach dem Eigenwillen des Dichters in grandioser Wortgewalt. "Es geschieht, dass ich müde bin, Mensch zu sein", heißt es da an einer Stelle und tatsächlich kritisiert der Dichter den in der Einsamkeit des heimatfernen diplomatischen Dienstes entstandenen Zyklus in späteren Jahren als zu pessimistisch.