RAINER DECKER: "HEXEN"

Hexenflug, Teufelsbuhlschaft und Schadzaubern – das waren die schlimmsten Vorwürfe in jenen düsteren Zeiten der Hexenverfolgung, als eine Denunziation schon ausreichte, um die Betroffenen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Spätestens seit die Schriften des "Hexenhammers" um 1480 Verbreitung fanden, setzte die entsetzliche Menschenjagd vehement ein und sie sollte allein in deutschen Landen bis 1775 an die 30.000 Menschen einen in der Regel grausamen Tod bescheren.

Eine gründliche Aufhellung, die auch mit manchen falschen Klischees aufräumt, liefert dazu Rainer Decker mit seinem Buch "Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit", das zugleich als Begleitband zur dreiteiligen Fernsehdokumentation in der ARD dient. Zunächst räumt der Historiker, der seit Jahren die Hexenprozesse erforscht, mit dem Irrtum auf, dass Hexenglaube und Verfolgung eine Erfindung des christlichen Europa und hier besonders des Mittelalters seien. Schon in der Antike gab es das Phänomen und römische Kaiser empfahlen zur Beweisermittlung bereits die Folter und die Hinrichtung durch Verbrennen.

Ein anderes hartnäckiges Vorurteil schwärzt Inquisition und Vatikan als Hexenverfolger an, was der Autor jedoch mit eindeutigen Fakten widerlegt. Die im 13. Jahrhundert einsetzende Inquisition verfolgte Häretiker, also vermeintliche Ketzer wie Katharer und Waldenser aber keine Hexen. Päpste und Inquisition erweisen sich besser als ihr Ruf und wenn sie Hexen anklagen, dann unter hohen Ansprüchen an die Schuld der Angeklagten. Unschuldig allerdings sind die Päpste nicht an den Auswüchsen vor in den deutschen Reichsgebieten. Als dort die Ketzerverfolgung in die Hexenhatz umschlug und Juristen und Theologen eine regelrechte schriftlich fixierte Ideologie entwickelten, suggerierte eine wohlwollende Bulle von Papst Innocenz VIII im Vorwort des "Hexenhammers", dieser habe das abgefeimte Druckwerk abgesegnet. Dass die Hexenverfolgung hier jedoch hier solch verheerende Formen annehmen konnte, lag an dem fatalen Zusammenwirken von staatlicher und geistlicher Obrigkeit.

Die Hexenverfolgung war übrigens auch keine katholische "Spezialität": Reformator Luther zum Beispiel propagierte noch in seinen späten Jahren die Verfolgung und Tötung von Hexen und das evangelisch-lutherische Lemgo war im 17. Jahrhundert berüchtigt für die Intensität der Verfolgung. Selbst die berühmte "Cautio Criminalis" des Jesuitenpaters Spee von 1631 half wenig gegen den Irrsinn, dem erst die Aufklärung den Boden entzog. Und wer da glaubt, das alles sei Vergangenheit: Fälle konkreter Verfolgung von Hexen und Zauberern gibt es noch aus dem heutigen Afrika!

Decker bereitet das Alles ebenso spannend wie wissenschaftlich seriös auf. Das ist gerade für die deutschen Leser auch von einiger Wichtigkeit, denn unsere Vorfahren kommen als vernunftbegabte Wesen ganz und gar nicht gut dabei weg. Das hervorragend aufgemachte Buch begeistert im Übrigen auch durch die Fülle einschlägiger zeitgenössischer Abbildungen.

 

# Rainer Decker: Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit; 128 Seiten, div. Abb. Großformat; Primus Verlag, Darmstadt; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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