RAINER MORITZ: "UND DAS MEER SINGT SEIN LIED"

Nach den vom ihm ehrlich geliebten Schlagern wendet sich Verleger Rainer Moritz jetzt einer unersetzlichen Kerngruppe ebendieses Musikgenres zu, jenen zahlenmäßig kaum zu überblickendes Ohrwürmer zum Thema Seefahrt. "Und das Meer singt sein Lied" heißt das Werk, das mit liebevoller Ironie zeigt, dass man den Sieg gegen den alten Rivalen England längst davongetragen hat.

Wo jene ganze Flotten stolzer Schiffe einsetzten, genügte uns Deutschen heeres Liedgut der eingängigen = volkstümlichen Art von Männern, Masten und Matrosen, um sämtliche Weltmeere zu erobern. Da mögen die Kritiker noch so sehr schäumen und es hilft auch kein Ohropax: rein quantitativ befindet sich der Autor mit seinem Bekenntnis zum Schlager angesichts von Millionen Fans jener Gesänge über die Gitarre und das Meer, das weiße Schiff, das nach Hongkong fährt, und den Seemann, dessen Heimat nun mal eben jenes Meer ist, absolut auf der richtigen Seite des Geschmacksäquators.

"Deine Liebe ist dein Schiff, deine Sehnsucht ist die Ferne, und nur ihnen bist du treu, ein Leben lang", erkannte Ober-Seemannsbraut Lolita, aus dem meerfernen Österreich wie der singende Vorzeige-Seemann Freddy. Doch man überschätze den kulturellen Anspruch von Textdichtern nicht, denn ihr Idealismus gilt zuvörderst dem kommerziellen Aspekt, was sich im aktuell herrschenden Zeitgeist verkaufen lässt. Da passte die hohe Zeit der Seemanns-Schlagerromantik nun mal zum Wunsch, den negativen Seiten der Nachkriegszeit mit Aufbau-Maloche, verdrängten Kriegserinnerungen, geistiger Enge der Adenauer-Ära und den mangelnden Reisemöglichkeiten für Minuten mitsingend und träumend zu entfliehen.

Experte Moritz lässt keine Nuance aus und beleuchtet zugleich gründlich den kulturgeschichtlichen Hintergrund dieses Musik(un)wesens, das sich gern auch auf so urdeutsche Interpreten wie Nana Mouskouri, Connie Francis, Iglesias und dergleichen stützte. Doch warum verteufeln, wenn man sich gerade in diesen Tagen für einen Film wie "Das Wunder von Bern" begeistert! Man nehme dieses Buch eher als eine kenntnisreiche Anleitung ähnlichen Genießens, das die kauzigen Filme eines Heinz Erhard seit Jahren zum Kult hat werden lassen.

Und wer es gern richtig akustisch haben möchte, greife alternativ zum gleichnamigen Hörbuch mit Nina Petri und Stefan Benson als Interpreten, die mit gewollt sachlichem Ton süffisant ironisch klingen und auch live singen. Da fehlt dann auch nicht einmal das unverzichtbare Meer, das hier allerdings nicht singt sondern schweigend vor sich hin rauscht. Was sonst.

   

 

# Rainer Moritz: Und das Meer singt sein Lied; 180 Seiten, div. Abb.; marebuchverlag, Hamburg; € 19,90

# Rainer Moritz: Und das Meer singt sein Lied; Interpreten Nina Petri und Stefan Benson; 1 CD, 89 Minuten; Hoffmann und Campe, Hamburg; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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