MONICA ALI: "BRICK LANE"

Nazneen ist 19, als sie aus ihrem bengalischen Dorf ins ferne London kommt, um hier den ihr unbekannten älteren Chanu zu heiraten. Er ist ihr vorbestimmt, doch seine Bevormundung ist für sie ebenso normal wie die Geburt der Töchter und der einförmige Trott in der tristen Mietwohnung. Über Jahre bleibt ihr London völlig fremd, zumal sie die Sprache nicht spricht. Die sie aber eigentlich auch nicht braucht, denn sie lebt in Brick Lane, dem Zentrum der bengalischen Einwanderer, einer gänzlich eigenen Welt.

Und "Brick Lane" heißt auch der opulente Entwicklungsroman, in dem Monica Ali den allmählichen Prozess schildert, in dem diese anpassungsfähige und zugleich unangepasste Frau sich allmählich ihren Platz in dieser so unbekannten Welt erobert. Im Gegensatz zu ihrem eingebildeten Mann, der sich als milder Pascha gebärdet und doch schließlich scheitert und in die Heimat zurückkehrt, gelingt Nazneen mit geradezu fatalistischer Beharrlichkeit eine Art Integration in der neuen Heimat. Von den Töchtern lernt sie Englisch und erfährt von der Welt außerhalb von Brick Lane, die so völlig anders ist als alles, was sie zugleich von ihrer Schwester Hazia aus Briefen erfährt.

Hazia ist im Elend der alten Heimat auf der Flucht, weil sie den für sie bestimmten Mann nicht akzeptieren wollte. Die Entfremdung ist allerdings auch für Nazneen ein schweres Los, doch sie findet auch Hilfe auf ihrem Weg. Da sind nicht nur die alte Mrs. Islam und ihre gerissene Freundin Razia, sie lernt eines Tages mit dem jungen politischen Aktivisten Karim sogar Verliebtheit und die Freuden der körperlichen Liebe kennen.

Mit ihrer warmherzigen, ungekünstelten Sprache führt die Autorin auf fesselnde Weise hinein in dieses andere Sehen, Denken und Fühlen und dabei fasziniert dieser Blick aus den naiven und doch auch lebensklugen Augen Nazneens, die sich auch vor negativen Erfahrungen bis hin zum blinden Fanatismus nicht verschließen. Auf ihrer Suche nach einem ihr angestammten Platz in der Welt gibt sie zugleich einer Minderheit von einigen 100.000 bengalischen Einwanderern eine Stimme. Ebenso realistisch wie authentisch überzeugt Monica Ali mit diesem erstaunlichen Debütroman, der ein wunderbares Lesevergnügen bietet und mit gutem Grund für den Booker Prize nominiert wurde.

 

# Monica Ali: Brick Lane (aus dem Englischen von Anette Grube); 544 Seiten; Droemer Verlag, München;

€ 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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