MARIO VARGAS LLOSA: "DAS PARADIES IST ANDERSWO"

Zwei sehr realen historischen Figuren widmet sich der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa mit seinem neuen Buch "Das Paradies ist anderswo". Es sind dies die Frauenrechtlerin Flora Tristan (1803-1844) und ihr Enkel, der Maler Paul Gauguin (1848-1903), beide von großem Charisma aber auch viel Tragik im Genie ihres Schaffens. Beide waren Vertreter ihrer jeweiligen, einander geradezu konträren Utopien.

"Heute fängst du an, die Welt zu verändern, Florita", sagt die Sozialrevolutionärin zu Beginn des Buches zu sich selbst und es ist wahrhaft Neues, das sie fünf Jahre vorm "Kommunistischen Manifest" eines gewissen Karl Marx verkündet, als sie mit flammenden Appellen für die Arbeiterunion gegen Unterdrückung und Ausbeutung wirbt. Allerdings trat sie nicht als Ideologin auf sondern geprägt von tiefem Idealismus.

Nachdem sie unverschuldet durch die zivilrechtlich ungültige Ehe ihrer Eltern beim frühen Tod des vermögenden Vaters in Armut fällt, hat sie ihr entscheidendes Erlebnis mit dem einjährigen Aufenthalt in Peru, der Heimat des Vaters. Die hohe Selbständigkeit der dortigen Frauen macht Flora Tristan zur Rebellin von großem Mut und Einsatz bis zum frühen, recht tragischen Tod. Paul Gauguin dagegen, Sohn ihrer Tochter Aline, ist ein Spätberufener, der längst als Börsenmakler in gut situierten bürgerlichen Verhältnissen lebt, als er die Künstlernatur in sich entdeckt.

Seine Entwicklung zum zivilsationsmüden Aussteiger aus den Konventionen insbesondere der Familie vom ersten längeren Ausflug nach Tahiti an ist legendär. Die neue Welt entfacht einen ungeheuren kreativen Drang und immer mehr versucht er, hier in der weltfernen Fremde als Eingeborener zu leben. Seine Rückkehr zu den Ursprüngen ist von Euphorie und Abstürzen ebenso gezeichnet wie von Arbeitswut und Meisterwerken der modernen Kunst. Auch er findet wie Flora Tristan nicht das letzte Lebensglück, doch der Autor schafft es auf bewegende Weise, den jeweiligen Zwang zu verdeutlichen, den das Ideal gepaart mit Leidenschaft und Genie unentrinnbar zum Schicksal macht.

Vargas Llosa verbindet die soziale, als Segen für die Menschen verfochtene Utopie Flora Tristans mit jener so gegensätzlichen, fortschrittsabgewandten des extremen Individualisten Gauguin. Dies gelingt ihm um so fesselnder, als er die Lebensläufe in abwechselnden Kapiteln folgen lässt. Zusätzliche Nähe fördern die häufigen Passagen im Stile einer Zwiesprache mit den Protagonisten. Außerdem entwirft der große Meister mit diesem grandiosen Werk zugleich ein ebenso romanhaftes wie authentisches Gemälde einer bewegten Epoche.

 

 

# Mario Vargas Llosa: Das Paradies ist anderswo (aus dem Spanischen von Elke Wehr), 493 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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