WALTER MÜLLER: "DIE HÄUSER MEINES VATERS"

Martin Krämer hat seinen Vater nie kennengelernt und die wenigen Fotos von ihm samt dem Scheidungsprotokoll geben auch kein richtiges Bild von ihm. Doch das hat auch seine Vorteile, denn so kann er ihn sich selbst erfinden mit wunderbaren Geschichten. Da kann er sich von seinen besten Seiten zeigen, der längst verstorbene Maurerpolier Robert Krämer, der damals mit seinem Schlawiner-Charme die romantsiche Mutter betörte.

"Die Häuser meines Vaters" hat der Salzburger Autor Walter Müller diese Geschichte des ungekannten Vaters genannt, denn die dichtet ihm der erwachsene Ich-Erzähler in seinem Phantomschmerz der nie erlebten Vater-Sohn-Beziehung mit viel Fantasie an. Ein Spieler, ein Trinker, der nie den Kontakt gesucht hatte, obwohl er doch in derselben Stadt geblieben war, nachdem er die Mutter noch vor der Geburt wegen einer anderen verlassen hatte – und trotzdem ein Vater, ein Held, ein toller Hecht mit vielen Erlebnissen. Alles erfunden, manches mit schmerzlicher Sentimentalität, manches nüchtern, ohne Pathos oder gar sarkastisch.

Stück für Stück füllt der Sohn ohne Vater das Vakuum mit ausgedachten Kindheitserinnerungen und schwankt dabei zwischen Außergewöhnlichem und Alltäglichkeiten, die er nie erlebt hat. Doch immer schimmert die Enttäuschung durch, denn das Vaterhaus bleibt Wunschtraum und nicht einmal eine Versöhnung ist möglich. So wenig Wirkliches hat er in den Händen, dass er sich selbst die Fantasie-Interviews mühsam ausdenken muss.

Walter Müller ist der Virtuose, den dieser Stoff braucht, um nicht ins Triviale abzurutschen. Ihm ist ein Meisterstück gelungen, das mit herbem Witz und manch skurrilen Szenen besticht, zugleich jedoch auch mit den zutiefst berührenden unerfüllten Sehnsüchten des Ich-Erzählers dem Leser sehr nahe, manchmal fast zu nahe kommt. Aus einer leider nicht eben seltenen Geschichte ist so ein feinfühliges und spannendes Psychodrama von besonderer Eindringlichkeit und Qualität entstanden.

 

# Walter Müller: Die Häuser meines Vaters; 207 Seiten; Argon Verlag, Berlin; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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