JODY ROSEN: "WHITE CHRISTMAS"

Er wurde 1888 in Sibirien geboren, kam 1893 nach New York, veröffentlichte 1907 sein erstes Lied und hatte 1911 mit "Alexander's Ragtime Band" seinen ersten Welthit: Izzy Baline, aus dem durch einen Druckfehler auf einem Notenblatt dann Irving Berlin wurde. Der kleine zappelige Songschreiber lernte nie das Notenschreiben und brachte dennoch 812 Lieder heraus, von denen sagenhafte 451 in die Hitparaden gelangten.

Unter seiner endlosen Reihe von Ohrwürmern ist auch der meistverkaufte und am häufigsten interpretierte Schlager aller Zeiten, das legendäre "White Christmas". Unter diesem Titel widmet Jody Rosen, Journalist und Spezialist für Popmusik, dem Phänomen Irving Berlin ein exzellent recherchiertes Buch, das nebem einem bewegten Künstlerleben auch viel zur Geschichte der amerikanischen Unterhaltungsmusik und ihres zeitgenschichtlichen Umfeldes erhellt. Sie wurde vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz maßgeblich von jüdischen Einwanderern geprägt, denen einerseits viele Berufe verwehrt waren und die andererseits mit ihrem exemplarischen Patriotismus amerikanischer waren als mancher Einheimischer.

Gerade diese Immigranten schufen die äußeren Ausdrucksformen des'American Dreams' und Berlin stand mit seinen bewusst und gekonnt einfach geschriebenen Schlagern an erster Stelle, weil seine Texte quasi "unmittelbar unter der Oberfläche des nationalen Bewusstseins lauernd" den Nerv des Durchschnittsamerikaners trafen. Da gelang der launischen Diva, die als nervtötender Pedant und Kettenraucher oft bis zu zwölf Stunden hintereinander am Klavier saß, nach unzähligen Erfolgen zwischen den Weltkriegen unter dem Eindruck der in Europa heraufziehenden Kriegsgefahr 1938 ein Erfolg sondergleichen: er schuf mit "God bless America" gewissermaßen die inoffizielle US-Nationalhymne, die noch heute von jedem Amerikaner mit Inbrunst zu allen erdenklichen patriotischen Anlässen gesungen wird.

Doch nur zwei Jahre später brachte das unermüdliche Genie den noch größeren Hit heraus und er wusste es genau, als er an jenem 8. Januar 1940 seinem Arrangeur "White Christmas" mit den Worten überreichte: "Dies ist das beste Lied, das überhaupt jemals geschrieben wurde!" Da hatte der Sohn eines jüdischen Kantors tatsächlich die Ode an das christlich-amerikanische Fest geschaffen, die sich zum größten Weihnachts-Schlager aller Zeiten entwickelte. Zugleich wurde dieses eher melancholische und gänzlich unreligiöse Lied bei seinem Erscheinen im Herbst 1942 auch zur Kampfhymne der GIs an der Front und der von Berlin dafür ausgesuchte Bing Crosby war der kongeniale Interpret. Autor Rosen schildert den Weg dieses raffinierten Songs ebenso lebendig und spannend wie das sonstige Schaffen des Meisters der Ohrwürmer, der selbst ein eher gespaltenes Verhältnis zum Weihnachtsfest hatte.

 

# Jody Rosen: White Christmas. Ein Song erobert die Welt (aus dem Amerikanischen von Gerline Schermer Rauwolf und Robert A. Weiß); 220 Seiten, div. Abb.; Karl Blessing, München; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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