JÜRGEN TRIMBORN: "JOHANNES HEESTERS"

"Jopie" wird 100! Gemeint ist der am 5. Dezember 1903 geborene Johannes Heesters, der seit seinen Kindertagen in der holländischen Heimat diesen Kosenamen trug. Jürgen Trimborn legt dazu die erste umfassende Biographie des bis heute aktiven Schauspielers vor, der 1921 erstmals Bühnenbretter betrat. "Johannes Heesters. Der Herr im Frack" hat Filmexperte Trimborn seine umfangreichen Recherchen überschrieben, bei denen er auch bisher unerschlossene Quellen auswerten konnte und etliche Zeitzeugen befragte.

Am meisten beeindruckten ihn jedoch die Gespräche mit Heesters selbst, der sich als nachdenklicher und besonnener Skepziker erwies. Nach außen hin aber waren Charme, umwerfendes Lächeln und eben der Frack samt weißem Schal stets die Markenzeichen des vermeintlichen Bonvivants. Als singender Schauspieler hatte es ihn 1934 der Karriere wegen nach Wien und von dort nach Berlin gezogen und schnell schaffte er den Durchbruch. Seine Doppelbegabung und das blendende Aussehen waren Garanten seines Erfolges vor allem mit den so beliebten Revue-Operetten. Zugleich profitierte der jungen Familienvater (bis Kriegsende galt er offiziell jedoch aus Imagegründen als Junggeselle!) von der Arisierung der Nazis, denn Stars wie Tauber, Kiepura und Joseph Schmidt überließen ihm mit ihrer Emigration den Thron des Operettenkönigs.

Hinzu kam, dass seine über 1500 mal gespielte Paraderolle des Danilo ausgerechnet zu Hitlers Lieblingsoperette "Die lustige Witwe" gehörte. Heesters feierte Erfolge bei Bühne und Film und schaffte es zugleich, sich weitgehend aus der Propagandamaschinerie Goebbels herauszuhalten und sich auch kaum mit Nazi-Größen zu zeigen. Empfindliche Denkzettel aus Goebbels' Machtbereich ließen Heesters andererseits die Beschränkungen seiner Ablehnung des Systems erkennen. Er verweigerte die Einbürgerung und enthielt sich politischer Äußerungen, gleichwohl diente er dem Regime als freundliches Aushängeschild. Ein von der SS angeordneter Besuch im KZ Dachau (vermutlich, um vor Wachmannschaften zu spielen) wurde Heesters später übel ausgelegt.

Während jedoch sein deutschsprachiges Publikum ihm auch in der Nachkriegskarriere treu blieb, verziehen ihm seine Landsleute bis heute nicht, dass er Karriere in Nazi-Deutschland machte, während dessen Truppen sein Heimatland okkupiert hielten. Anders als viele der damals ebenso hofierten wie gegängelten Stars bekannte sich Heesters jedoch zu seiner Scham über die Blauäugigkeit, mit der er die Vorteile für sich seinerzeit genossen hatte. Der Autor lässt die Gratwanderung des unpolitischen Unterhaltungskünstlers ahnen, zumal er die damals herrschenden Umstände des Unterhaltungswesen detailliert schildert.

Aber auch über Heesters selbst findet er manch Erstaunliches heraus. So wurde der Star der leichten Muse bei seinen Ausflügen ins Charakterfach von den Kritikern absolut ernst genommen und wer hätte ausgerechnet bei diesem Gentleman vermutet, dass er ein begeisterter Hobby-Boxer war?! Natürlich widmet sich der Autor auch dem Privatleben dieses Stars ohne Allüren und zeigt eine Künstlerpersönlichkeit von erstaunlichen Dimensionen. Zugleich ist diese Biographie ein spannendes Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts.

 

 

# Jürgen Trimborn: Johannes Heesters. Der Herr im Frack. Biographie; 528 Seiten, div. Abb.; Aufbau-Verlag, Berlin; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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