CAROLINE HANKEN: "SEBALDS REISEN"

Seefahrt ist romantisch, die freien Meere, Wind in den Segeln, Abenteuer – so ungefähr sind die Vorstellungen von jenen Segelschiffzeiten früherer Jahrhunderte. Berichte berühmter Seefahrer, Romane, Filme und Windjammerparaden vermitteln diese Bilder, wie aber war der Alltag auf den Schiffen? Caroline Hanken, Anthropologin an der Universität Amsterdam, widmet sich nun diesem Thema mit dem erzählenden Sachbuch "Sebalds Reisen. Die ferne Welt der Seefahrer."

Mit diesem fiktiven Seemann Sebald lässt die Autorin den Leser erleben, was es wirklich hieß, um 1700 auf einem überfüllten, schwankenden Schiff monatelang unterwegs zu sein. Schlafen in der Hängematte, keinerlei Hygiene, harte Arbeit, knappe Freizeit und immer aufs engste zusammen mit vielen rauen Gesellen, das war der Tageslauf und niemand an Bord wurde geschont und bei Vergehen drohten oft drakonische Strafen. Sebald ist 13, als er 1697 aus Armut in Amsterdam auf einem Handelsschiff der Vereinigten Ostindischen Compagnie als Schiffsjunge anheuert, um mit ihm zu den indonesischen Kolonien zu segeln. Rund 50000 Mann fuhren zu jener Zeit auf holländischen Schiffen, die VOC galt dabei übrigens als besonders übler Arbeitgeber.

Sebald durchsteht elende Zeiten als unterster in der Hierarchie der einfachen Seeleute und leidet wie sie, wenn das Trinkwasser zu stinken beginnt, die wenig appetitlichen Essensrationen kaum reichen und manch einer aufgrund der vitaminarmen Kost vom Skorbut befallen und hingerafft wird. Und er entwickelt wie all die anderen dieses Abwehrverhalten durch Fluchen und Schimpfen gegen zu viel Nähe, denn nie ist man mal wirklich allein. Um so wilder geht es dann nach Wochen und Monaten nur unter Männern beim ersten Landgang zu, wo die Huren auf die Heuer der Matrosen lauern.

Später fährt Sebald auf einem Schiff der Westindischen Compagnie in die Karibik, wo seit dem 16. Jahrhundert ganze Horden von Freibeutern und Bukaniers als Piraten ihr Unwesen treiben. Auch Sebald erlebt einen Überfall und dennoch – die Faszination der Seefahrt hat ihn wie so viele so sehr gefangen, dass er nach glücklicher Heimkehr trotzdem aufs Neue wieder anmustert und schließlich alle sieben Meere kennenlernt.

"Sebalds Reisen" verknüpft auf faszinierende Weise fundiertes Fachwissen und fiktive Lebensgeschichte des Seemanns zu einem höchst authentischen Einblick in Mentalität, Alltag, Aussehen und Sprache der Seefahrer und ihre ganz spezielle Kultur. Zahlreiche alte Zeichnungen sowie ein Glossar vervollkommnen das Bild außerdem zu einem Standardwerk zur Geschichte der Segelschifffahrt.

 

# Caroline Hanken: Sebalds Reisen. Die ferne Welt der Seefahrer (aus dem Niederlänidschen von Thomas Charpey u. Monika Barendrecht); 176 Seiten, 62 Abb.; Primus Verlag, Darmstadt; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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