RICHARD LOURIE: "SACHAROW. EINE BIOGRAPHIE"

Richard Lourie übersetzte bereits die Memoiren des Atomphysikers und Dissidenten Andrej Sacharow (1921 – 1989), mit "Sacharow. Eine Biographie" legt er nun einen Lebensbericht des großen Russen vor. Der Autor hat den Friedensnobelpreisträger von 1975 noch persönlich kennengelernt, aber auch lange Zeit unzugängliches Archivmaterial sowie Aussagen und Fakten aus dem Familien- und dem Kollegenbereich einarbeiten können.

Lourie zeichnet zunächst das Bild des schüchternen, eigenbrötlerischen Jünglings, der sich mit 17 Jahren an der Universität Moskau für Physik einschreibt und sich inmitten der Stalinschen Säuberungswellen kaum für Politik interessiert. Der hochintelligente Student muss wegen eines chronischen Herzfehlers auch nicht Soldat werden und doch ist er es, der dann als genialer Atomwissenschaftler der Sowjetunion auf ihrem Weg zur Weltmacht zu entscheidenden Trümpfen verhilft. Fast 20 Jahre lebt er in der seltsamen Abgeschiedenheit jener streng geheimen, auf keiner Landkarte verzeichneten Akademikerstädte. Dort wird er 1961 zum "Vater der sowjetischen H-Bombe" und mit dem Ungetüm von 50 Megatonnen Sprengkraft zieht die UdSSR quasi gleich mit den Amerikanern. Aber hat er sich bereits den Zorn von Parteichef Chruschtschow zugezogen, denn der Wissenschaftler vertritt die Meinung, weitere Bombentests verhinderten die Möglichkeiten von Abrüstung und Friedenssicherung und sollten deshalb unterbleiben.

Sacharow hat seine Arbeit nie wirklich als unmoralisch bereut, aber es schreckt ihn der Gedanke, eine furchtbare Waffe erfunden zu haben, deren "Einsatz außerhalb unserer Kontrolle liegen würde." Der allmähliche Wandel seines Denkens ließ ihn so weit zum Verfechter von bürgerlichen Freiheiten und Menschenrechten in seiner Heimat werden, dass er 1968 gegen die Niederschlagung des 'Prager Frühlings' protestierte und schließlich 1975 sogar für sein Auftreten den Friedensnobelpreis erhielt. Als Staatsfeind, inzwischen verheiratet mit der Menschenrechtlerin Jelena Bonner, wurde er ins sibirische Gorkij verbannt und erst Gorbatschow erlöste ihn 1986. In vielem unterstützte der unerschrockene Wissenschaftler Perestroika und Glasnost, kritisierte als Abgeordneter des Volksdeputierten-Kongresses gleichwohl die Halbherzigkeiten der Reformen. Und er warnte als rigoroser Verfechter eines demokratischen Rechtsstaats vor einem Rückfall in die Zeit des Bolschewismus, der den "Zerfall des Landes" zur Folge haben werde. Als er im Dezember 1989 starb, existierte die UdSSR noch fast genau zwei Jahre....

Sacharows Leben entsprach vom Zeitablauf damit fast genau dem der Sowjetunion und dieses Leben war spannender als mancher Roman. Autor Lourie hat mit dieser Biographie einer der wichtigsten Persönlichkeiten der sowjetischen Geschichte ein grandioses Denkmal gesetzt. Seine Bedeutung fasste Präsident Wladimir Putin in wenige Sätze: "Zu gewissen Zeiten in der Geschichte eines jeden Landes gibt es Menschen, die sozusagen das Licht einschalten. Sie weisen der Nation den Weg. Andrej Sacharow war so ein Mensch."

 

# Alan Scott Berg: Katharine Hepburn. Ein Jahrhundertleben (aus dem Amerikanischen von Reiner Pfleiderer und Andrea Kann); 382 Seiten, div. Abb.; Karl Blessing Verlag, München; € 21

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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